Um den einst geführchteten Mann ranken sich Anekdoten – in Wicker fehlt ein Nachfolger

Wenn der Feldschütz eine Strafe von zwei Mark aussprach, war das für den „Sünder“ viel Geld. Vor allem die Kinder hatten früher viel Respekt vor ihm.

Von Sascha Kröner

Bei der Spätlese im Jahr 1936 mischte sich der inzwischen in Wicker legendäre Feldschütz Philipp Müller (Zweiter von links) unter die Erntehelfer. Foto: Historischer Verein / Repro: Reuß"

Bei der Spätlese im Jahr 1936 mischte sich der inzwischen in Wicker legendäre Feldschütz Philipp Müller (Zweiter von links) unter die Erntehelfer. Foto: Historischer Verein / Repro: Reuß“

Wicker. Der Feldschütz war ein gefürchteter Mann.“ Zumindest habe er dies als Schulbub so empfunden, berichtet der Wickerer Theo Heimbuch. Der langjährige Vorsitzende des Historischen Vereins erinnert sich noch an Zeiten, als das Amt des Aufpassers in der Gemarkung der Jugend Respekt einflößte.

Mit einem Schießeisen

„Wir haben als Buben schon gewusst, wo die ersten Kirschen reif werden“, erzählt Theo Heimbuch. Wenn die Kinder verbotenerweise das frisch gereifte Obst pflücken wollten, durften sie sich aber nicht vom Feldschütz erwischen lassen. Der hieß zur damaligen Zeit Philipp Müller und war der Onkel der CDU-Stadtverordneten Berthilde Enders. Furchteinflößend war der Feldschütz, der mit seinem Fahrrad die Gemarkung kontrollierte, weil er von der Schusswaffe Gebrauch machte. „Mein Onkel hat noch scharf geschossen“, weiß Berthilde Enders. Kinder brauchten vor dem Schießeisen des Aufpasser jedoch keine Angst zu haben. Der Feldschütz legte eher auf Tiere an.

Zu seinen Aufgaben gehörte es unter anderem, Vögel zu vertreiben, die über die Weinreben herfielen. Später habe der Feldschütz auch die Aufgabe des Auschellers übernommen, der amtliche Mitteilungen in der damals eigenständigen Gemeinde verkündete, erklärt Theo Heimbuch.

Wenn der Feldschütz jemanden erwischte, der sich etwas zu Schulden kommen ließ, habe er Strafzettel verteilt, erzählt Heimbuch. Dies konnten Kinder sein, die Obst klauten oder Bauern, die sich nicht an Durchfahrtsverbote auf Feldwegen hielten. Die Strafe habe meist zwischen 50 Pfennig und zwei Mark gelegen. „Damals war das viel Geld“, so Heimbuch. Er selbst habe Glück gehabt und nie einen Knollen bekommen. Mit den Kindern habe der Feldschütz früher besonders viel Arbeit gehabt, glaubt Heimbuch. „Wir hatten ja noch keinen Computer“, sagt das Wickerer Urgestein. Deshalb seien viel mehr Kinder als heute im Feld unterwegs gewesen.

Nur in Unterhose

Eine Anekdote ist Heimbuch besonders in Erinnerung geblieben: In den Herbstferien habe er sich gemeinsam mit anderen Kindern am Feldrand in der Tempelgasse rumgetrieben, als einer seiner Kameraden ein dringendes Geschäft erledigen musste. Der Schulfreund habe seine Hose an eine Hecke gehängt, bevor er sich erleichterte. Genau in diesem Moment tauchte der gefürchtete Feldschütz auf. Die Erinnerung, wie sein Freund in Unterhosen davon lief, löst noch heute Lachanfälle bei Theo Heimbuch aus.

Die letzten Aufpasser

Die letzten Feldschütze in Wicker hießen Horst Hieronymus und Rainer Roos. Letzterer gab das Amt vor etwa einem halben Jahr auf. Jetzt sucht die Stadt nach einem neuen Aufpasser für die Gemarkung.

Die Wickerer CDU hat in ihrem Infoblatt dazu aufgerufen, sich bei der Stadtverwaltung zu melden. „Es ist ein kleiner Job, der auch noch von einem rüstigen Rentner wahrgenommen werden kann“, heißt es in dem Aufruf. Das Amt sei speziell für Wicker als Weinbaugemeinde ein wichtiges Thema, erläutert die ehemalige Ortsvorsteherin Berthilde Enders. Zu den wichtigsten Aufgaben gehöre es für einen Feldschütz heutzutage, aufzupassen, dass in den Weinbergen nichts geklaut wird und Müll und Dreck zu melden oder zu entfernen.

Übrigens: Horst Hieronymus sah sich nicht nur als Feldschütz, sondern begriff seinen Arbeit auch als organisatorische Aufgabe. Alljährlich stellte er eine Route zusammen, damit in der gesamten Flörsheim Gemarkung der wild lagernde Müll von freiwilligen Helfern eingesammelt werden konnte. Hieronymus kennt in der Gemarkung jeden Weg, jeden Acker, jeden Baum und Strauch – egal ob in Wicker, Weilbach oder in Flörsheim.

Quelle: Höchster Kreisblatt vom 3. Janaur 2013