Ist die Gewerbesteuerschätzung übertrieben hoch?

Es war eine ungewöhnliche letzte Stadtverordnetenversammlung des Jahres. Nicht nur das übliche gemeinsame Essen der politischen Akteure im Anschluss an die Sitzung musste entfallen. Die Fraktionen hatten aufgrund der weiterhin hohen Corona-Infektionszahlen auch auf alle ihre Anträge verzichtet. So stand der Haushaltsplan ganz im Mittelpunkt der Versammlung. 

Das Bündnis aus CDU, Galf und Freien Bürgern (dfb) beschloss den ausgeglichenen Etat von Bürgermeister und Kämmerer Dr. Bernd Blisch (CDU). SPD und FDP stimmten dagegen.

Blisch hatte bei seiner Haushaltseinbringung die biblische Geschichte des Pharaos genutzt, der von sieben fetten und sieben dürren Jahren träumt und die Krise durch frühzeitiges Sparen überwindet. Dieses Bild griffen die Oppositionsparteien auf. Träume hätten den Kämmerer wohl auch dazu verleitet, die Gewerbesteuereinnahmen für 2021 auf 7,5 Millionen anzusetzen, sagte SPD-Fraktionsvorsitzende Marion Eisenmann-Kohl. 

Die finanziellen Folgen des zweiten Lockdowns seien nicht absehbar. „Die Gewerbesteuereinnahmen werden wesentlich niedriger bleiben, der Haushalt damit nicht ausgeglichen“, mahnte die SPD-Frau. Dass für den ausgeglichenen Haushalt im Corona-Jahr keine Steuererhöhung notwendig war, sah Eisenmann-Kohl nicht als Erfolg. Die Steuer sei bereits 2019 unnötig erhöht worden. 

Weiterhin kritisierte die Sozialdemokratin die Personalkosten. Man müsse sich fragen, ob Flörsheim tatsächlich die neu geschaffenen Stellen eines Klimabeauftragten und eines „Kompass“-Beauftragten brauche. Außerdem sei der Ansatz für Sach- und Dienstleistungen um 20 Prozent auf 6,5 Millionen erhöht worden. Ein passender biblischer Vergleich wäre, laut Eisenmann-Kohl: „Wasser predigen und Wein trinken“.

„Die falschen Prioritäten gesetzt“

Aus Sicht des FDP-Fraktionsvorsitzenden Thorsten Press gehen die „fetten Jahre“ des Flörsheimer Haushalts auf Steuereinnahmen zurück. „Dies ist allerdings kein Erfolg, wenn es das Ergebnis einer massiven Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer 2019 ist“, erklärte der Freidemokrat. Auch er bemängelte die Steigerung der Personalkosten. „Der Pharao hat, anstatt den Kornspeicher zu füllen, erst mal den Hofstaat bedient“, so Thorsten Press.

Zusätzliche Kindergartenplätze und günstiger Wohnraum seien durch die neuen Mitarbeiter nicht geschaffen worden. Die FDP vermisse auch Fortschritte bei der Renovierung der Rathausvilla. Weil der Haushalt die falschen Prioritäten setze, lehne seine Fraktion diesen ab.

Verwaltungschef Blisch verteidigte die zugrundeliegende Gewerbesteuerschätzung. Die Stadt könne trotz Krise in diesem Jahr bereits Einnahmen von 7,8 Millionen aus der Gewerbesteuer verbuchen. Vor diesem Hintergrund sei die Erwartung von 7,5 Millionen für 2021 nicht unrealistisch.

Für CDU-Fraktionschef Markus Reif ist es wohltuend, einen zeitig eingebrachten Haushalt zu beschließen und nicht wie früher die Kohlen für die Verwaltung aus dem Feuer holen zu müssen. Während in anderen Kommunen die Finanzmittel wegbrechen, sei der Flörsheimer Haushalt ein Zeichen „sehr guter Arbeit im Rathaus“. Die Kritik an Personalkosten oder Sach- und Dienstleistungen verschweige, dass beispielsweise in die Kita-Betreuung investiert worden sei und dadurch weitere Kosten entstehen. 

Reif ging auch darauf ein, dass 11 Millionen an Restmitteln aus vergangenen Jahren vorhanden seien, weil sich die vorherigen Hauptamtlichen, Michael Antenbrink und Sven Heß, einen Schattenhaushalt aufgebaut hätten. Die „Selbstbewunderung der SPD“ bezeichnete der CDU-Mann als bedenklich. Deren Anträge seien ausnahmslos abgelehnt worden, weil sie im Wesentlichen falsch gewesen seien.

Zu wenige Zeichen für den Klimaschutz

Der ausgeglichene Haushalt trotz Corona sei etwas Besonderes im Main-Taunus-Kreis, erklärte Frank Laurent (Galf), der die Annahmen zur künftigen Gewerbesteuer „absolut realistisch“ fand. Dass die SPD die vergangenen Steuererhöhungen kritisierte, erschien Laurent „sonderbar“. „Wo wären wir denn, wenn wir nicht erhöht hätten?“, fragte der Fraktionschef der Flörsheimer Grünen. 

Laurent räumte ein, dass er gerne noch mehr Zeichen für den Klimaschutz im Haushalt gesetzt hätte. Den kritisierten Stillstand könne er jedoch aufgrund von Fortschritten bei Kinderbetreuung, Gesundheitscampus und Fahrradstraßen nicht erkennen.

Thomas Probst, Fraktionsvorsitzender der Freien Bürger, lobte, dass die Stadtentwicklung auf dem richtigen Weg sei. Das Stadtbild habe sich unter anderem bei der Grünpflege verbessert und es sei „ein frischer Wind eingezogen“.

Quelle: Höchster Kreisblatt vom 17. Dezember 2020