Diskussion über den Etat 2017 artet zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch aus

Die Haushaltsreden entwickelten sich in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung zu einem heftigen Steit zwischen den beiden politischen Lagern. Mittendrin: Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) und Erster Stadtrat Sven Heß (Galf). Schließlich wollte der Rathauschef dem Stadtrat sogar das Wort verbieten. So war Antenbrink in den vergangenen Wochen auch schon mit Verwaltungsmitarbeitern umgesprungen.

Flörsheim. Das Bild war bezeichnend. Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) und Erster Stadtrat Sven Heß (Galf) saßen mit verschränkten Armen und grimmigen Mienen nebeneinander und schauten sich nicht mehr an. Zwischenzeitlich wich Heß sogar vom Platz an der Seite des Rathauschefs und setzte sich ins Publikum. Auf dem Höhepunkt der Haushaltsdiskussionen waren die beiden hauptamtlichen Magistratsmitglieder entzweit. Eine Entscheidung gab es übrigens auch noch: Der Haushaltsplan wurde mit der Mehrheit des Viererbündnisses verabschiedet. Die SPD stimmte dagegen.

Einst waren sie politisch ein Herz und seine Seele, nun geht fast nichts mehr: Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD, links) und Erster Stadtrat Sven Heß (Galf).

Einst waren sie politisch ein Herz und seine Seele, nun geht fast nichts mehr: Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD, links) und Erster Stadtrat Sven Heß (Galf).

Kritik am Kämmerer

Von Anfang an war klar, dass es in den Haushaltsreden um mehr ging als Einnahmen und Ausgaben: Es scheine geboten, auf die politischen Verhältnisse in Flörsheim einzugehen, erklärte SPD-Fraktionschefin Marion Eisenmann-Kohl zu Beginn ihrer Stellungnahme. Das Viererbündnis aus CDU, Galf, Freien Bürgern (dfb) und FDP verfüge über eine Zwei-Drittel-Mehrheit und stelle den Kämmerer Sven Heß, meinte die die SPD-Fraktionschefin. Dabei erwähnte sie nicht, dass Heß einst der Kandidat der früheren rot-grünen Koalitionen gewesen war, die noch vor der jüngsten Kommunalwahl zerbrochen war. Damit trage das Bündnis auch die Verantwortung. Die Sozialdemokratin kritisierte den Haushaltsplan des Ersten Stadtrats Heß. Einsparungen seien nicht berücksichtigt worden. Vor allem bemängelte Marion Eisenmann-Kohl, dass anfangs ein Konsolidierungskonzept fehlte. Die Probleme des Haushalts sei zweifelsfrei die Verantwortung des Kämmerers und nicht des Bürgermeisters. Auf der anderen Seite stehe der Rathauschef Heß zur Seite, wenn dieser in seiner Funktion als Sozialdezernent „etwas nicht auf die Reihe bekomme“, sagte Eisenmann-Kohl. Dies sorgte für Unmut in der Galf-Fraktion: „Fassenacht ist vorbei“, rief Stadtverordneter Peter Kluin der SPD-Frau zu.

„Nein, Schluss“

Sven Heß war ebenfalls sichtlich verärgert und bat im Anschluss an die Haushaltsreden um das Wort. Er sei traurig und wütend darüber, dass Abmachungen nicht eingehalten werden, erklärte der Erste Stadtrat. Er verwies auf eine Vereinbarung aus der Runde der Fraktionsvorsitzenden. Dort habe man sich geeinigt, den Haushaltsausgleich nicht – wie vom Landrat gefordert – im Jahr 2017 zu erreichen, sondern eine Konsolidierung bis 2018 anzustreben. Deshalb wolle man mit einem kleinen Defizit in die Beratungen gehen. Dabei sei explizit gesagt worden, dass man nicht im Nachhinein mit dem Finger auf den Kämmerer zeigen werde. Die SPD habe diese Abmachung gebrochen, so Sven Heß. Er sei entsetzt, wie mit dem politischen Mitbewerber umgegangen werde. Den Etat habe er mit Antenbrink abgestimmt. „Der Haushaltsplan ist überwiegend auch ein Haushaltsplan ihres Bürgermeisters“, erklärte er den Sozialdemokraten.

Bürgermeister Michael Antenbrink erwiderte, dass er die Darstellung des Ersten Stadtrats nicht teile. Dennoch wolle er versuchen, „ein Mindestmaß an Kollegialität“ zu wahren. Der Haushalt liege handwerklich in der Verantwortung des Kämmerers. Dass der Etatplan zunächst nicht genehmigungsfähig war, sei ein „eklatantes Versäumnis“ von Heß. Als der Erste Stadtrat auf diese Vorwürfe antworten wollte, versuchte Antenbrink, ihm das Wort zu verbieten: „Nein, Schluss“, tönte der Bürgermeister. Stadtverordnetenvorsteher Steffen Bonk (CDU) wies jedoch darauf hin, dass Sven Heß seine Meinung, laut Hessischer Gemeindeordnung, äußern dürfe. Der Erste Stadtrat erklärte, dass er Antenbrink den Plan vor der Einbringung vorgelegt habe. Der Rathauschef habe dem Entwurf in dieser Form zugestimmt.

SPD-Fraktionsvorsitzende Marion Eisenmann-Kohl kritisierte das Viererbündnis dafür, dass es lediglich viele Sperrvermerke in den Haushaltsplan geschrieben habe. „Damit wird nichts eingespart“, so die Sozialdemokratin. Das Bündnis verfolge einzig das Ziel, dem Bürgermeister auf die Finger zu schauen und erschwere dadurch die Arbeit der Verwaltung. Eine konstruktive Zusammenarbeit sei nicht möglich. „Hier geht es nur um Konfrontation“, so Marion Eisenmann-Kohl.

CDU-Mann Michael Kröhle stellte fest, dass es richtig sei, die Haushaltsdebatte als Generaldebatte zu führen. „Die Flörsheimer Kommunalpolitik steht am Scheideweg“, erklärte der Christdemokrat. Er betonte, dass die Menschen vom Bürgermeister ernst genommen werden wollten und ging auf die Baumfällaktion an der Riedstraße ein: Freitags zu äußern, dass man überlege wie es weitergeht, und kurz darauf die Bäume abzuholzen, schaffe Politikverdrossenheit. „Auch nach über zehn Jahren ist es Ihnen nicht gelungen, ein Gefühl für die Stadt und ihre Eigenarten zu entwickeln“, warf Kröhle dem Rathauschef vor. „Ihnen fehlt jegliche Empathie für unsere Stadt“, kritisierte der CDU-Sprecher.

Zu den verkehrten Haushaltspositionen, die im Ausschuss aufgedeckt wurden, erklärte Kröhle, dass es zwei Erklärungen für die „Luftbuchungen“ gebe: Entweder habe die Verwaltung im „antenbrinkschen Aktionismus“ den Überblick verloren, oder das Geld sei mit voller Absicht im Haushalt belassen worden, um es an der Stadtverordnetenversammlung vorbei für andere Projekte einzusetzen. Vor diesem Hintergrund bat Kröhle um Verständnis für die Sperrvermerke. Das Vertrauen in den Bürgermeister sei völlig aufgebraucht.

„Aufgedrehter Benjamin“

Die „Generaldebatte“ war damit noch nicht am Ende. SPD-Mann Philipp Moritz warf den Christdemokraten vor, das diese nach der Wahl im vergangenen Jahr um die SPD „geschwänzelt“ seien. Als klar geworden sei, dass die Genossen den Ersten Stadtrat nicht zugunsten eines CDU-Vertreters absäge, habe sie sich dem Viererbündnis angeschlossen, fabuliertete Moritz. „Verhindern, Verzögern, Spalten“ seien die einzigen Strategien des Bündnisses. Die „unprofessionelle Politik“ setze sich in den Haushaltsberatungen fort. „Sie nehmen abstrakte Zahlen und frieren sie auf willkürliche Art ein“, so Moritz.

CDU-Fraktionschef Marcus Reif bezeichnete den jungen SPD-Mann daraufhin als „aufgedrehten Benjamin“. Die Politik der Flörsheimer SPD nannte er „alttestamentarisch“. Das Motiv sei „Auge um Auge“ – mit dem Ziel, die Politik in Gewinner und Verlierer einzuteilen.

Stadtcharakter bewahren

Thomas Probst, Fraktionschef der Freien Bürger (dfb), betonte, dass Flörsheim seinen Charakter verliere. Schuld daran sei Bürgermeister Antenbrink. Probst erklärte zudem, dass das Viererbündnis nicht mit dem Ziel angetreten sei, dem Rathauschef zu schaden. Gleichzeitig verteidigte er Sven Heß. Der Erste Stadtrat sei mit Verwaltungswillen an seine Aufgabe gegangen und nicht mit seiner Parteifarbe. FDP-Mann Thorsten Press erklärte die Motivation des Viererbündnisses: „Was uns eint, ist, dass wir Flörsheim und seinen Charakter bewahren wollen“, sagte der Liberale. Flörsheim solle eine familienfreundliche, bodenständige Stadt bleiben.

Galf-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr bemühte sich besonders stark um einen ruhigen Ton. Statt auf Vorwürfe setzte sie in ihrer Rede vorwiegend auf politische Inhalte: Sie kritisierte das Gewerbegebiet West V und wies darauf hin, dass die Galf erst wieder Bauprojekten zustimme, wenn ein Stadtentwicklungskonzept vorliegt. Außerdem forderte sie, dass Flörsheim aufgrund der Siedlungsbeschränkung infolge des Flughafenausbaus von Entwicklungsforderungen aus dem Regionalverband ausgenommen werde. Die fruchtbaren Böden seien viel zu schade, um dort weiteres Bauland zu schaffen.

Quelle: Höchster Kreisblatt vom 6. März 2017