Nach dem Bürgerentscheid gibt es kein Plan B

Die Auseinandersetzungen haben bei den Mitgliedern der Bürgerinitiativen Spuren hinterlassen – weitere Anfeindungen werden befürchtet. Die Befürworter der Umgehungsstraße reagierten enttäuscht auf ihre Niederlage beim Bürgerentscheid. Der Jubel der Sieger war eher verhalten.

Flörsheim. Jubelschreie gab es bei den BIGU-Aktivisten, als die Ergebnisse der letzten Wahlbezirke angezeigt wurden. Die originellste Stellungnahme des Abends gab sicherlich Bernd Zürn ab, der sich im Gegensatz zu anderen Vertretern der BIGU viel Zeit für eine Stellungnahme nahm. «Ich weiß gar nicht, ob es ein Sieg war», kommentierte der bekannte Umweltschützer aus Weilbach. Ihm ist die Art der Auseinandersetzung der vergangenen Wochen sichtlich auf den Magen geschlagen. «Man wird angefeindet, und ich rechne damit, dass das noch weiter geht», schimpfte Zürn.

Immerhin steht fest, dass die BIGU ihr Ziel erreicht hat. Für alle Zeiten könne man natürlich nicht sprechen, so Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD). Aber für absehbare Zeit sei die Umgehungsstraße vom Tisch. Keiner werde sich für das Vorhaben engagieren, ist er überzeugt. Und wäre im Falle eines Sieges das Planfeststellungsverfahren bald eingeleitet worden wäre, dürfte die Streichung des Projektes aus dem Bundesverkehrswegeplan nur noch eine Frage der Zeit sein.

Kompromisse gesucht

Es wird also nicht dazu kommen, dass die Stadt die drei Jahre abwartet, in der sie an den Bürgerentscheid gebunden ist, um dann das Vorhaben wieder aufzugreifen. Ohnehin dürften auch Fakten geschaffen werden, über die absehbare Streichung aus dem Bundesverkehrswegeplan hinaus. Die Rhein-Main-Deponie GmbH hat schon wissen lassen, dass sie nach Anweisung des Regierungspräsidiums nun einen Grundstück verfüllen muss, das einst Kiesgrube war und über das die Umgehungsstraße führen sollte.

Aber die sogenannte kleine Umgehung Weilbach, könnte die noch wenigstens entstehen? «Das wäre doch ein erster Bauabschnitt», sagte dfb-Mann und Ex-Galf-Mann Gerhard Reinhard. «So macht man Kompromisse», findet er. Allerdings: Die kleine Umgehung Weilbach werde es nicht geben, ist Marcus Reif, Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, überzeugt. Die Aussagen des Hessischen Wirtschaftsministeriums dazu seien eindeutig. Das sieht auch Bürgermeister Michael Antenbrink so.

Resignation bei Anliegern

Allerdings gibt es auch keinen anderen Plan. «Keiner hat eine Lösung für die Probleme der Ortsteile», so Antenbrink. «Wir müssen jetzt in Ruhe analysieren, was man noch tun kann», erklärte der Rathauschef. Eine Idee hat er allerdings auch noch nicht – und damit zeigt sich in Flörsheim, was man etwa auch aus Hofheim und Kelkheim kennt: Man verlässt sich auf eine Umgehungsstraße, ohne einen Plan B für den Fall des Scheiterns in der Tasche zu haben. Den hat auch die BI-Pro nicht. Erschrocken und enttäuscht sei man, so BI-Sprecher Reinhard Schindler. Warum man trotz des großen Einsatzes nicht gewonnen habe, das lasse sich so kurz nach der Abstimmung noch nicht sagen. Es habe sich aber in den Wahllokalen gezeigt, dass immer noch nicht alle die Fragestellung richtig verstanden hätten. «Ich muss meine Freizeit jetzt eben anderswo verbringen», lässt Schindler, der an der Bürgermeister-Lauck-Straße wohnt, auch Resignation erkennen. Schindler beklagte die fehlende Solidarität derer, die in ruhigen Seitenstraßen wohnen, und ist nun gespannt, was die Straßengegner in Sachen Verkehrsberuhigung unternehmen wollen. Eine aktive Rolle sieht er dabei für seine Bürgerinitiative nicht, aber man werde die Debatte genau beobachten.

Für BIGU-Mann Zürn wäre schon eine Menge gewonnen, würde auf den Durchgangsstraßen durchweg eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde angeordnet. «Das wurde noch gar nicht diskutiert», kritisiert er diese vermeintlichen Versäumnisse.

Wachsender Egoismus

Michael Antenbrink auf der anderen Seite ließ sich am Wahlabend auf eine Debatte über die künftige Verkehrspolitik ebenso wenig ein wie die Fraktionschef von CDU und FDP, Marcus Reif und Dieter Janzen. Diese beiden ziehen aber durchaus unterschiedliche Konsequenzen. Es gehe jetzt darum, die Teilung der Stadt zu überwinden, die der Bürgerentscheid gebracht habe, so Reif. Auch Antenbrink ist keineswegs glücklich darüber, dass die Debatte die Stadt gespalten habe. Demgegenüber goss FDP-Mann Janzen eher noch Öl ins Feuer. Die Bürger seien der BIGU «auf den Leim gegangen», schimpfte Janzen. Für ihn ist das Resultat des Bürgerentscheids ein Zeichen für den wachsenden Egoismus. Und es stelle sich die grundsätzliche Frage, wie Großprojekte überhaupt noch realisiert werden könnten. Die Themen B 519 in Flörsheim und der neue Bahnhof in Stuttgart, das steht für ihn in dieser Hinsicht ganz in einer Reihe. bt (bt)

Quelle: Höchster Kreisblatt vom 14.02.2011

Entscheidung, aber keine Lösung

Von Elke Flogaus

BÜRGERENTSCHEID 50,9 Prozent votieren gegen den Bau der Umgehung / 180 Stimmen Unterschied

Die Umgehungsstraße B519 ist vom Tisch. Mit knapper Mehrheit haben sich die Wähler beim gestrigen Bürgerentscheid gegen den Bau entschieden, ebenso wie die Hochheimer, wo das Ergebnis erheblich deutlicher ausfiel (siehe nebenstehenden Artikel). Die Befürworter in Flörsheim haben ihr Ziel mit lediglich 180 Stimmen verfehlt, die Gegner das erforderliche Quorum von mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten mit 31,7 Prozent erreicht.

In Erwartung eines knappen Ergebnisses herrschte bei den rund 200 anwesenden Bürgern in der neuen Feuerwache zunächst angespannte Aufmerksamkeit. Bei einzelnen Ergebnissen aus den 16 Wahllokalen hatten mal die Einen, mal die Anderen Grund zum Jubeln. Am deutlichsten gegen die Umgehungsstraße sprachen die Abstimmungsergebnisse aus der Begegnungsstätte Keramag/Falkenberg und aus der Sporthalle Schulzentrum-Mitte, am deutlichsten dafür waren wie erwartet die Ergebnisse aus Weilbach. Unterm Strich zeigte sich schließlich, dass von 9598 gültigen Stimmen 50,9 Prozent „Ja“ lauteten, also gegen die B519 neu waren, während 49,1 Prozent der Stimmen mit „Nein“ für die Umgehung votiert hatten.

„Das ist das Ende der Umgehungsstraße, jetzt wird man analysieren müssen, was man noch tun kann“, war das enttäuschte Fazit zu dem knappen Ergebnis von Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD), der sich bei einer Wahlbeteiligung von 62,5 Prozent (vor knapp vier Jahren waren es 60,5 Prozent) einen anderen Ausgang erhofft hatte. „Jetzt haben wir eine Entscheidung, aber keine Lösung des Problems“, stellte er resigniert fest. Alle drei Parteien, CDU, FDP und SPD, sowie die Bürgerinitiative für die Umgehungsstraße (Bi-Pro) hätten ihr Bestes gegeben, nun bleibe als großes Thema, wie den Anwohnern geholfen werden könne.

„Damit ist auch die kleine Umgehung Weilbach abgelehnt“, erläuterte CDU-Fraktionschef Marcus Reif. Er sieht es nun als dringliche Aufgabe an, den entstandenen Bruch zwischen Gegnern und Befürwortern wieder zu schließen, ein Riss, der teilweise quer durch die Familien gehe. „Warum dieser Egoismus, wir haben doch genug informiert“, fragte sich FDP-Fraktionschef Dr. Dieter Janzen, der das Ergebnis traurig zur Kenntnis nahm.

Geradezu erschrocken und ebenfalls enttäuscht zeigte sich Reinhard Schindler von der Bi-Pro, der zwar das weitaus knappere Ergebnis als beim letzten Bürgerentscheid hervorhob, aber besorgt fragte, wie es nun weitergehen solle: „Die Appelle an mehr Solidarität wurden nicht ernst genommen“.

Schnell verschwunden nach Bekanntwerden des Endergebnisses waren dagegen die, die Grund zum Jubeln hatten, nämlich Parteimitglieder der Grünen alternativen Liste Flörsheim (Galf) und Mitglieder der Bürgerinitiative gegen diese Umgehungsstraße (Bigu), die somit keine Stellungnahme abgaben.

Lediglich Bigu-Vertreter Bernd Zürn stand der Presse Rede und Antwort. Allerdings waren es keine Töne des Triumphes, als er zugab, dieses Ergebnis erhofft, aber nicht damit gerechnet zu haben, zumal sich „andere“ so massiv dafür eingesetzt hätten. „Der Wahlkampf war unfair und menschlich unschön“, bedauerte er und er müsse auch künftig damit rechnen, angefeindet zu werden, obwohl er auf Lösungen ohne Umgehung hoffe, zum Beispiel mit generellem Tempo 30 in den Durchfahrtsstraßen von Weilbach.

Quelle: Main-Spitze vom 14.02.2011

Nein zur Umgehungsstraße

Bürgerentscheid: 50,9 Prozent der Flörsheimer Wähler lehnen das Projekt erneut ab – In Hochheim stimmen 80,4 Prozent gegen den Bau der B 40 – Jubel hält sich in Grenzen

Es war ein Wechselbad der Gefühle für alle Beteiligten im Flörsheimer Feuerwehrgerätehaus, wo am Sonntag Abend die Ergebnisse aus den einzelnen Wahlbezirken präsentiert wurden. Als die 67,4 Prozent gegen die Umgehungsstraße aus der Wickerer Goldbornschule verkündet wurden, jubelten die Gegner. Ein paar Minuten später triumphierten die Befürworter, als aus dem Wahlbezirk 1 (Riedschulturnhalle rechts) 61,4 Prozent für das Projekt bekannt gegeben wurden. Doch dann wurde es ganz still. In der Übersicht aller Stimmbezirke waren zwei Dinge schnell klar: Die nötige Zahl der Wähler, das so genannte Quorum, wird in jedem Fall erreicht. Doch der Ausgang war bis zum letzten Briefwahlbezirk offen. Das Endergebnis der Zitterpartie: 50,9 Prozent (4889 Wähler) stimmten mit „Ja“, also gegen den Bau der Umgehungsstraße , 49,1 Prozent (4709 Wähler) sprachen sich für die weitere Verfolgung der Planungen aus. Die Befürworter der Straße lagen in allen Weilbacher Wahlbezirken und drei Flörsheimer Wahllokalen vorne. In den anderen zehn Stimmbezirken für die Urnenwahl fand sich eine Mehrheit gegen den Bau der Straße.

Die Wahlbeteiligung lag bei 62,2 Prozent und damit höher als beim ersten Bürgerentscheid im Mai 2007.
Die Befürworter des Projektes, das von der großen Parlamentsmehrheit aus CDU, SPD und FDP für unerlässlich für die Stadt erachtet wird, nahmen das Ergebnis enttäuscht und auch erschüttert zur Kenntnis. „Das ist das Ende der Umgehungsstraßendiskussion auf absehbare Zeit. Die Menschen in den Ortsdurchfahrten bleiben zurück. Wir haben eine Entscheidung, aber keine Lösung des Problems“, so Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD).

Was tun? Die Mehrheit der Wähler entschied sich gestern dafür, auf dem Abstimmungszettel „Ja“ anzukreuzen und somit gegen die Umgehungsstraße zu stimmen. Fotos: Jens Etzelsberger Dieter Janzen (FDP), zeigte sich „enttäuscht und traurig“ und machte einen tiefgehenden Egoismus für das Ergebnis verantwortlich.

„Wir lassen die Hälfte der Flörsheimer mit Sorgen zurück“, so CDU-Fraktionsvorsitzender Marcus Reif. Während Bürgermeister Michael Antenbrink weder mit einem so knappen Ergebnis noch mit einem solchen Ausgang gerechnet hat, sondern von einer deutlichen Mehrheit für die Straße ausging, zeigte sich Marcus Reif von dem Kopf-an-Kopf-Rennen nicht überrascht.

Alle Beteiligten gehen aber davon aus, dass das 35-Millionen-Euro-Projekt aus dem vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans zurückgestuft und auf absehbare Zeit nicht weiter verfolgt wird. Richard Schindler, Anwohner der Bürgermeister-Lauck-Straße und Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative für die Umgehungsstraße, zeigte sich „erschrocken und enttäuscht“ über das Ergebnis. Er hält die Schwierigkeit der Fragestellung, bei der Befürworter der Straße mit Nein stimmen mussten, Gegner dagegen mit Ja, für eine Teilerklärung der Niederlage. Während die Befürworter der Straße über das Ergebnis regelrecht fassungslos waren, wollte sich auch bei den Gegnern des Projektes kein rechter Jubel einstellen. Mit „Zufriedenheit“ ist ihre Stimmungslage im Gerätehaus am ehesten zu beschreiben.

Bernd Zürn, der seit vielen Jahren Position gegen die Straße bezieht, hatte einen Sieg beim Bürgerentscheid zwar erhofft, aber eigentlich nicht damit gerechnet. Angesichts der Art und Weise, wie die Auseinandersetzung im Vorfeld der Abstimmung geführt wurde, bleibt für Zürn ein schaler Beigeschmack. „Es war unfair und menschlich unschön“, so Zürn.
Auch Marcus Reif (CDU) beschrieb den Wahlkampf als in der Heftigkeit der Auseinandersetzung in der Region seit vielen Jahren einzigartig.

Doch selbst wenn die Befürworter der B 519 neu gesiegt hätten, wäre die Entlastungswirkung nicht so stark ausgefallen, wie erhofft. Denn in der Nachbarstadt Hochheim haben sich 80,4 Prozent der Wähler gegen das Verbindungsstück der B 40 auf die Landesstraße 3028 ausgesprochen. Von dieser Straße hatten sich die Befürworter gerade für Wicker und Weilbach eine deutliche Entlastung versprochen.

Quelle: Rüsselsheimer Echo vom 14.02.2011

Aus für die Umgehungsstraße

Die Flörsheimer Gegner der B 519 neu setzen sich beim Bürgerentscheid knapp durch. 50,9 Prozent der Stimmberechtigten stimmten gegen die Straße.

Spannend bis zur letzten Sekunde ist die Abstimmung des Bürgerentscheids zur geplanten Flörsheimer Ortsumgehung B519neu verlaufen. Mit einem Unterschied von nur 180 Stimmen ging die Entscheidung zugunsten der Straßengegner aus. 50,9 Prozent der Stimmberechtigten stimmten gegen die Straße, 49,1 Prozent dafür. Die Wahlbeteiligung lag bei 62,5 Prozent.

„Das ist das Ende der Umgehungsstraße auf absehbare Zeit“, sagte ein sichtlich geknickter Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) nach der Verkündung des Endergebnisses in der neuen Feuerwache in Flörsheim. Die Verwaltung war nach einer massiven Infokampagne relativ zuversichtlich, dass das Ergebnis in ihrem Sinne ausgehen würde. Sämtliche Parteien bis auf die freien Bürger (dfb) und die Grüne alternative Liste (Galf) hatten sich für den Bau der Straße ausgesprochen, gegen die vor drei Jahren schon einmal ein Bürgerentscheid getroffen wurde. Damals lagen die Gegner mit 600 Stimmen vorn.

Doch obwohl der Jubel bei den Straßengegnern von Bigu (Bürgerinitiative gegen diese Umgehungsstraße), Galf, BUND und dfb groß ist, befürchten Vertreter beider Seiten nun, dass in Flörsheim tiefe Gräben gerissen wurden. „Die Bevölkerung wurde bis hinein in Familien tief gespalten“, sagte CDU-Chef Marcus Reif. Man müsse nun darüber nachdenken, wie man die Menschen wieder vereinen könne.

Auch Bernd Zürn, BUND-Mitglied und einer der Sprecher der Bigu, sprach von „Riesengräben“, die aufgrund eines „unfairen Wahlkampfes“ der Befürworter entstanden seien. Er fürchte zudem Anfeindungen von den Verlierern des Bürgerentscheids.

„Wir sind sehr erschrocken und enttäuscht“, fasste Reinhard Schindler von der BiPro zusammen. Die Mehrheit nehme offenbar die Konsequenzen einer vorhergesagten Verkehrszunahme bis 2020 hin, ohne Solidarität gegenüber den Anwohnern der Durchgangsstraßen zu zeigen. Die Schwierigkeit habe in der Fragestellung gelegen, so Schindler. Man musste mit Nein antworten, wenn man für die Straße war. Laut Schindler, der auch Wahlbeisitzer war, seien viele Menschen trotz der Aufklärungskampagne verunsichert gewesen, wie sie abstimmen sollten.

Für Flörsheim bedeutet die Entscheidung, dass die B519neu aus dem Bundesverkehrswegeplan herausgenommen wird. Damit werde es auch keine kleine Weilbacher Umgehung geben, sagte Antenbrink. Keiner in der Stadt werde sich noch einmal für diese Straße engagieren. „Wir haben eine Entscheidung, aber keine Lösung des Problems.“

Die kleine Weilbacher Umgehung, ein Teilabschnitt der 519 neu, wird indes von der Bigu weiterhin gefordert. Man könne sie planen und in drei Jahren umsetzen, so Zürn. Gerhard Reinhard (dfb) will die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft anregen, um die Kommunikation im Ort wieder herzustellen. Da müssten dann aber „die Jungen ran“.

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 14.12.2011