Nach einem ernüchternden Wahlabend lassen die ersten Trendergebnisse die herben Verluste für die CDU erkennen. Hier das vorläufige Trendergebnis für die Flörsheimer Stadtverordnetenversammlung:

Flörsheimer Stadtverordnetenversammlung

2016_STVV_Trendergebnis_Sitzverteilung


Höchster Kreisblatt

So sehen die Gewinner aus

Die Koalition aus SPD und Galf ist Geschichte. Nach dem vorläufigen Trend hat das rot-grüne Bündnis in Flörsheim keine Mehrheit mehr. CDU und Galf holten rund 10 Prozent weniger als bei der Wahl im Jahr 2011. Die Gewinner des gestrigen Wahlabends sind die Freien Bürger und die FDP.

Ernste Mienen gab es bei der CDU: (von links) Markus Töpfer, Marcus Reif und Manfred Weber. Quelle: Höchster Kreisblatt

Ernste Mienen gab es bei der CDU: (von links) Markus Töpfer, Marcus Reif und Manfred Weber. Quelle: Höchster Kreisblatt

Flörsheim. Große Augen und Kopfschütteln gab es gestern gleich mehrfach zu sehen. Die Ergebnisse, die in der Stadthalle nach und nach präsentiert wurden, überraschten selbst die Gewinner. Fest steht nämlich schon jetzt, dass die Wähler die Flörsheimer Stadtverordnetenversammlung auf den Kopf gestellt haben. Zum ersten Mal seit dem Jahr 1972 wird die SPD mit 30 Prozent voraussichtlich die stärkste Fraktion bilden. Die Sozialdemokraten verdanken diese Position allerdings nicht ihrem eigenen Ergebnis, das sich gegenüber 2011 nur um 2 Prozent verbesserte. Die Stärke der SPD ergibt sich vor allem aus der Schwäche der CDU, die bei der zweiten Wahl in Folge rund 11 Prozent verloren hat.

Die überragenden Gewinner der Kommunalwahl sind die Freien Bürger (dfb), die ihren Erfolg anfangs selbst nicht glauben konnten. „Das gibt’s doch gar nicht“, murmelten einige der Kandidaten angesichts der ersten Ergebnisse. In den frühen Hochrechnungen aus dem Pfarrzentrum St. Gallus, aus der Turnhalle der Graf-Stauffenberg-Schule und aus der Riedschulhalle lagen die dfb sogar vor der CDU. Während die CDU in den ersten Wahlbezirken nur 16 Prozent holte, schafften die Freien Bürger zwischen 19 und 25 Prozent. Andere Parteien hatten dazu schnell eine klare Meinung: „Das waren Protestwähler. Die haben in Flörsheim keine AfD gefunden“, kommentierte SPD-Chef Gerd Mehler. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Marcus Reif wies darauf hin, dass die Plakate der Freien Bürger die Farben der AfD tragen, die in Flörsheim nicht angetreten ist. Nach dem vorläufigen Endstand konnten die dfb ihr Ergebnis von 5 Prozent aus dem Jahr 2011 auf 19 Prozent verbessern.

„Keine Protestwähler“

„Ich bin überrascht, dass die Leute uns so gut annehmen“, erklärte der hocherfreute dfb-Spitzenkandidat Thomas Probst. Er sieht sein persönliches Wirken und die unabhängigen Positionen der Freien Bürger als Erfolgsrezept. „Wir haben viele Dinge kritisch hinterfragt“, betonte Probst. Dass viele Flörsheimer aus Ablehnung der etablierten Parteien dfb wählten, glaubt er nicht. „Ich halte unsere Wähler nicht für Protestwähler“, so Probst. Er wies außerdem darauf hin, dass die Wählergemeinschaft die Farben blau und rot schon seit 2006 benutzt, also bevor es die AfD überhaupt gab. Er verbürge sich mit seinem Namen dafür, dass die Freien Bürger kein rechtes Gedankengut transportieren, erklärte der dfb-Mann.

Freuen konnte sich auch die FDP, die in der vergangenen Wahlperiode nur vom Stadtverordneten Thorsten Press vertreten wurde und nun wieder Fraktionsstatus erlangt. Der Wickerer Freidemokrat Michael Guske bezeichnete den Stimmenanteil von 9 Prozent als „tolles Ergebnis“.

Bei der CDU herrschte derweil Katerstimmung: Nach der Leistung der vergangenen fünf Jahre habe man sich ein besseres Ergebnis gewünscht, fasste Fraktionschef Marcus Reif seine Eindrücke zusammen. Der Christdemokrat bezeichnete es als Problem, dass die CDU ohne Hauptamtliche im Flörsheimer Rathaus nur verschwommen wahrgenommen werde. Reif ging außerdem davon aus, dass viele Bürger die Kommunalwahl „zweckentfremdet“ haben und die CDU für die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Merkel abstraften. „Das ist die Bundespolitik“, meinte auch Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Odermatt. Sein Amt wird die CDU wohl in Zukunft an die SPD abtreten müssen.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Marion Eisenmann-Kohl wertete den geringen Zuwachs als Zeichen dafür, dass die Bürger „die gute Politik der Sozialdemokraten honoriert“ haben. Die Tendenz für ein künftiges Bündnis sieht sie eher in Richtung rot-schwarz. Sie bedauere das Ende der SPD-Galf Koalition, da sie mit der gemeinsamen Arbeit zufrieden gewesen sei.

Anders klang dies bei der Galf-Spitzenkandidatin Renate Mohr: „Wir hätten diese Koalition nicht weitergeführt, selbst wenn das Ergebnis besser ausgefallen wäre“, erklärte Mohr. Menschlich habe die Zusammenarbeit zwar gut gepasst, doch es sei nicht möglich gewesen Projekte und Ziele der Galf umzusetzen, weil Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) immer zuerst an sich und die SPD gedacht habe. Unter diesen Vorzeichen funktioniere keine Koalition.

Die Galf-Fraktionschefin räumte aber auch offen ein, dass man die Schuld für das schlechte Abschneiden nicht nur bei anderen suchen dürfe und wolle. „Wir müssen schauen, woran es gelegen hat“, so die Flörsheimerin.

Quelle: Höchster Kreisblatt vom 7. März 2016


Main-Spitze

Kommunalwahl Flörsheim:

Koalition ist Geschichte / dfb vor Galf / FDP erstarkt / SPD gestärkt / CDU verliert erneut massiv / Große Koalition höchstwahrscheinlich

Das Trendergebnis nach der Auszählung der Listenstimmen zeigt, dass der Wähler die politische Landschaft in der Untermainstadt gehörig durcheinander gewirbelt haben will. Kleinparteien wie Die freien Bürger (dfb) haben plötzlich mehr Stimmen als die Galf, die FDP erwacht zu neuem Leben, die SPD wird zum ersten Mal seit Jahrzehnten stärkste Fraktion, die Talfahrt der CDU setzt sich mit unverminderter Kraft fort und die rot-grüne Koalition hat offenbar keine Mehrheit mehr.

Für abschließende Beurteilungen ist das Trendergebnis zwar nicht belastbar genug, eines stand aber schon am Sonntagabend in der Stadthalle fest: Die rot-grüne Koalition aus SPD und Galf ist Geschichte. Fast auf den Tag genau drei Jahre und vier Monate nachdem SPD und Galf ihren Koalitionsvertrag unterschrieben haben, verkündete die grüne Spitzenkandidatin Renate Mohr am Sonntagabend das Ende der Zusammenarbeit. Der Entschluss sei unabhängig von dem aktuellen Trendergebnis gefallen, das eine Fortsetzung der Koalition sehr fraglich macht, so Renate Mohr.

„Wir hätten auch nicht weitergemacht, wenn wird mehr als 20 Prozent geholt hätten“, so Mohr im Gespräch mit dieser Zeitung. „Menschlich hat es durchaus gestimmt, wir sind aber nicht vorangekommen. Wir nicht und Flörsheim nicht“, bilanzierte Mohr. Den Knackpunkt sieht sie dabei bei Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD). „Er hat bei allen Entscheidungen zuerst sich, dann die SPD und zuletzt die Galf gesehen“, beschrieb Mohr die Zusammenarbeit, in der die grüne Partei kein Profil habe zeigen können. Bei der Einführung der Fahrradstraße, einem grünen Prestigeprojekt, habe Antenbrink die Galf ebenso hängenlassen, wie bei der Realisierung des Familienzentrums. „Wir sind untergegangen in der Koalition.“

Antenbrink selbst, der sich über das beste Trendergebnis aller Parteien für die SPD freute, bekundete so etwas wie Mitleid für den Koalitionspartner. „Fast tut es mir ein bisschen leid für die Galf“, kommentierte er das schlechte Abschneiden. Zu einer künftigen Zusammenarbeit mit der CDU im Rahmen einer Großen Koalition sieht Antenbrink kaum Alternativen, zumal eine Ampelkoalition für ihn nur ein theoretisches Modell sei.

CDU-Fraktionsvorsitzender Markus Reif, dem das Entsetzen über den wiederholten Einbruch bei einer Kommunalwahl ins Gesicht geschrieben war, empfahl seine Partei schon mal als Koalitionspartner. „Wir müssen mit gestalten“, sagte er mit Blick auf eine notwendige Erneuerung der Partei. Ganz einfach wird das nicht werden. „Wir haben schwierige Zeiten vor uns“, sagte Reif, dessen Partei nach 11,6 Prozentpunkten 2011 zumindest nach dem Trend am Sonntag Verluste in ähnlicher Dimension erlitt.

Während bei der Galf Ernüchterung herrschte, zeigten sich vor allem Die freien Bürger in Feierlaune. „Das gibt‘s doch gar nicht“, kommentierte dfb-Stadtverordneter Harald Vogel die ersten Ergebnisse aus den Wahllokalen, die seine Partei mehrfach vor der CDU sahen. Dfb-Fraktionsvorsitzender Thomas Probst sieht in dem Plus von 14 Prozentpunkten, fast eine Verdreifachung der Wählerstimmen, nur den Lohn für eine engagierte Politik für die Stadt. Gerechnet hatte er allerdings nur mit sieben oder acht Prozent der Wählerstimmen, wie er einräumte. Von Protestpotenzial habe seine Partei kaum profitiert. „Ich halte unsere Wähler nicht für Protestwähler.“ SPD-Vorsitzender Gerd Mehler ist dagegen ganz anderer Meinung. Für ihn liegt auf der Hand, dass die Wähler, die im Kreis AfD gewählt haben, laut Trend waren das in Flörsheim rund 20 Prozent, auf kommunaler Ebene für die freien Bürger votierten. Die weisen solche Analogieschlüsse zurück. In der Partei finde sich keinerlei rechtes Gedankengut, betonte Probst und für die farbgestalterische Nähe der Plakate mit der AfD könne seine Partei, die seit 2006 bestehe, nichts.

Die FDP, denen das Trendergebnis eine Auferstehung bescherte, führt ihren Erfolg auch darauf zurück, dass sie in Wicker das Flüchtlingsthema aufgegriffen habe.

Quelle: Main-Spitze vom 7. März 2016