Mehrheitskoalition im Kreistag ist gegen eine Erweiterung

Es gibt nun eine breite Front im Kreistag, die den bis noch vor einigen Wochen geplanten Ausbau der Mülldeponie in Wicker ablehnt. Gestern Mittag erklärten die Fraktionschefs der drei Koalitionsparteien CDU, Grüne und FDP, dass sie nicht mehr an eine Erweiterung der von der Rhein-Main-Deponie-Gesellschaft mbH (RMD) in Wicker betriebenen Deponie zur Aufnahme von Schlacke aus Verbrennungsöfen festhalten wollen. Die für das geplante Projekt vorgesehenen Untersuchungen sollten nicht mehr weitergeführt werden. 

Der Stimmungsumschwung bei der Koalition hatte sich bereits vor einigen Wochen angekündigt. Nachdem die Anwohner aus Wicker, Massenheim und Hochheim bei Informationsveranstaltungen ihre ablehnende Haltung kundgetan hatte, und Landrat Michael Cyriax (CDU) die Unterschriften von Hunderten Wickerer Bürgern gegen den Ausbau übergeben wurden, änderte sich die Haltung der Parteien im Kreistag. Nach der Bekanntgabe der Erweiterungspläne war schnell klar, dass auch in Wiesbaden entsprechende Flächen für die Aufnahme von Schlacke zur Genehmigung beantragt wurden. Es gab also Alternativen, deren Genehmigungsfähigkeit viel besser eingeschätzt werden als für die Deponie in Wicker. Spätestens seit der Landrat vor Monaten in einem öffentlichen Facebook-Beitrag seine ablehnende Haltung zum Ausbau bekanntgegeben hatte, war die Erweiterung eigentlich schon vom Tisch. 

Overdick legt großen Wert auf Transparenz

Von Anfang an ganz klar Position gegen den Ausbau bezogen hatten in Flörsheim die örtlichen Sozial- sowie die Christdemokraten. Allen voran CDU-Fraktionschef Marcus Reif, der für das Projekt keine Chancen sah. Weder bei der Akzeptanz bei den Bürgern, noch auf wirtschaftlicher Basis. Die Freien Bürger (dfb) sowie die FDP und die Grüne Alternative Liste Flörsheim (Galf) schlossen sich der ablehnenden Haltung an. 

Nachdem noch eine Bürgerinitiative der Geschäftsführung sowie dem Aufsichtsrat der Rhein-Main-Deponie Gesellschaft Dutzende Fragen gestellt hatte, die fachlich unzureichend beantwortet wurden, war das Chaos perfekt. Nun erklärte die RMD-Aufsichtsratsvorsitzende Madlen Overdick, dass es mehrere Gründe für die Absage an einen weiteren Ausbau gebe. Zum einen sei die öffentliche Meinung gegen eine Erweiterung. Zum anderen sei es durch die aufgeheizte Stimmung schwer gewesen, eine sachliche Diskussion über den Ausbau zu führen. Zudem habe es Diskussionen über das Führungspersonal bei der RMD gegeben. Nun habe das Unternehmen eine Fachfrau als Geschäftsführerin an der Spitze, die erfahren sei im Deponie-Geschäft und bei der Sanierung solcher Unternehmen. 

Die Aufsichtsratsvorsitzende erklärte weiter, sie habe darauf Wert gelegt, Transparenz zu erzeugen und die Bürger über die Ausbaupläne frühzeitig entsprechend zu informieren. Eine rechtzeitige Bürgerbeteiligung habe das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde bei der Vorbereitung der Planungen für einen Ausbau auch so verlangt. Noch vor wenigen Monaten hatte die RMD neue Mitarbeiter anwerben wollen. Nun sieht das anders aus. Auf Nachfrage erklärte Overdick, dass natürlich Personal abgebaut werden müsse, wenn bestimmte Geschäftsfelder wegfallen würden. CDU-Fraktionschef Dr. Frank Blasch erläuterte, dass bei einer Erweiterung der Deponie ein großer wirtschaftlicher Erfolg nicht gesichert sei. Es sei nicht mit einem überwältigenden finanziellen Erfolg zu rechnen. Nun müsse man überlegen, wie die Nachsorge finanziert und die Kosten aufgeteilt werden könnten. Aber das ist nichts Neues und war schon vor den Ausbauplänen der Fall gewesen. 

Hinweis auf die „alten Seilschaften“

Für FDP-Fraktionschef Dirk Westedt gibt es ebenfalls mehrere Gründe an eine Absage für den Ausbau. Zum einen sei versprochen worden, die Deponie in den 2020er Jahren auslaufen zu lassen. Zum anderen sei die Bevölkerung nicht bereit, weitere Belastungen von der Deponie hinzunehmen. In diesem Zusammenhang müssten aber die ehemaligen Verantwortlichen genannt werden, die für die verfahrene Situation bei der RMD sowie die finanzielle Schieflage der RMD verantwortlich seien. Nun noch mal 90 Millionen Euro für den Ausbau zu investieren, sei nicht geboten. 

Karin Schnick, Fraktionschefin der Grünen im Kreistag, gab frank und frei zu, dass es zuerst zu wenige Informationen zur Frage für einen Ausbau gegeben habe. Schnick wies darauf hin, dass es auf der Deponie früher Investitionen in alternative Energieerzeugung gegeben habe. Dies habe sogar ausländische Besuchergruppen angelockt. Landrat Michael Cyriax teilte mit, dass die Entscheidung mit dem Hochtaunuskreis besprochen worden sei. 

Der Landrat wies darauf hin, dass Hochheim als Tourismusort anerkannt sei. Genauso wie das Weindorf Wicker sei es bekannt als Ausflugsziel. Wenn die Deponiehügel eines Tages begrünt seien, passe dies besser zu diesen Örtlichkeiten. Cyriax hatte zuvor erklärt, dass „alte Seilschaften“ viel Unruhe bei der Diskussion um die Erweiterung der Deponie sowie über die Rolle der RMD erzeugt hätten. Dass während seiner Amtszeit mit Dr. Mathias Bauspack (ab April 2017) ein Geschäftsführer verpflichtet wurde, der kein Deponie-Fachmann ist, dazu sagte der Landrat nichts. Und dass das „Deponie auf Deponie-Konzept“ ausdrücklich von dem Unternehmensgutachter Ebner Stolz im Jahr 2018 als Chance für die RMD genannt worden war, erwähnte der Kreishaus-Chef nicht. Die Sanierungsgutachter waren auf ausdrücklichen Wunsch von Cyriax ausgewählt worden. Und dass noch vor einigen Monaten Personal gesucht wurde, obwohl die Anzahl der Mitarbeiter laut Sanierungsplan verringert werden sollte, erwähnte der Landrat auch nicht. Cyriax hatte bei seinem Amtsantritt als Landrat erklärt, er wisse gar nicht, was kreiseigene Gesellschaften wie die RMD, die Gesellschaft zur Rekultivierung der Weilbacher Kiesgruben oder die Main-Taunus-Recycling für ein Geschäft betreiben würden. meh

Quelle: Höchster Kreisblatt vom 9. Juni 2020