Über Jahrzehnte hinweg galt es in der Flörsheimer Stadtverordnetenversammlung als üblich, in der Sache hart über den richtigen Weg zu streiten. Doch man verließ nie den Weg des gegenseitigen Respekts. Dieser Weg wurde seitens der SPD-Fraktionsvorsitzenden Marion Eisenmann-Kohl und Bürgermeister Michael Antenbrink nun aufgekündigt.
Auf die Pressemeldung der CDU hin („Es riecht nach Vetternwirtschaft“), die der Fraktionsvorsitzende Marcus Reif aus Fairness-Gründen vorab per E-Mail an Frau Eisenmann-Kohl sandte, erhielten Markus Töpfer und Marcus Reif am Samstag drauf die Antwort in Form von Post ihres Anwalts mit der Aufforderung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und jeweils 1.060 Euro an Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Beide sollten für Lebzeiten und ohne jeweiligen Kontext bei Meidung einer Vertragsstrafe in Höhe von 5.000,- Euro erklären, niemals wieder von „Vetternwirtschaft“ oder „Geschmäckle“ gegenüber Frau Eisenmann-Kohl zu sprechen oder zu schreiben. Das beschneidet eindeutig das Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Dabei sind keinerlei der Fragen, die beide CDU-Vertreter mit ihrer Pressemeldung aufwarfen, bisher beantwortet.
Bürgermeister Antenbrink hingegen erzählte an jeder beliebigen Stelle, sogar beim Bürgerempfang am 3. Oktober, dass dies einem ehrbaren Streit dient, den politischen Diskurs nun juristisch zu beenden. Aus unserer Sicht wäre es doch viel besser, das ganze Verfahren transparent und öffentlich zu machen, um die gestellten Fragen zu beantworten. Beim ursprünglichen Verkauf der Gewerbeeinheiten ließ sich Bürgermeister Antenbrink noch mit der Aussage (3) zitieren, dass der Verkauf von zwei der dreien Gewerbeeinheiten durch Frau Eisenmann-Kohl „ein Glücksfall gewesen sei“. Und weiter „andernfalls wäre die Finanzierung für das gesamte Objekt fraglich gewesen“. Wenn nun ein Großteil des Geschäfts, von dem wir natürlich des üblichen Prozesses wegen von einem schriftlichen Vertrag ausgegangen sind, der per Erläuterung durch Frau Eisenmann-Kohls Anwalt seitens der Terra allerdings bisher noch nicht vorgelegt werden konnte, nicht stattfindet, ist es das gute Recht und die politische Pflicht der Stadtverordneten hier Informationen einzufordern. Insbesondere auch gestützt durch die Tatsache, dass die Stadtverordnetenversammlung die Ausfallbürgschaft über 80 % der Finanzierung über fast 10 Mio. Euro übernommen hatte.
Umso deutlicher wird der Antwortbedarf, weil hier ein offensichtlicher Widerspruch herrscht zu einer Aussage von Bürgermeister Antenbrink, der gegenüber der Main-Spitze sagte: „einen Vorvertrag über den Kauf der beiden Gewerbeflächen habe es nicht gegeben“, der Anwalt aber davon spricht, dass er offensichtlich in der Terra erstellt werde. Dass Frau Eisenmann-Kohl Verkäufe der Immobilie, an der sie sich selbst beteiligt, auch notariell beurkundet, hatten wir nicht mal thematisiert. Doch ist die Aussage von Bürgermeister Antenbrink in der Main-Spitze vom 24.11.2015 hierbei ebenfalls kritisch zu hinterfragen, dass alle 14 Wohnungen und die drei Gewerbeeinheiten verkauft bzw. vermietet seien (1). „Verkauft“ heißt üblicherweise notariell beurkundet, was sich nun im Nachhinein als falsche Aussage herausstellt. Zumindest ist das der übliche Weg. Jeder, der privat eine Immobilie erwirbt, weiß, dass ein Handschlag hierfür nicht ausreicht. Die notarielle Beurkundung ist der normale Prozess.
Und in allen Immobilienkaufverträgen sind Passus für den Rücktritt vom Kauf, auch in Teilen, enthalten. Offensichtlich kann Frau Eisenmann-Kohl entgegen den auch von ihr als Notarin geübten Verfahren ohne Kosten oder Zinserstattung von der Kauf-Zusage einer der beiden Gewerbeeinheiten ohne Kosten zurücktreten. Und wir dürfen als politisch agierende ehrenamtliche Stadtverordnete keine Fragen hierzu stellen?
Dass eine Reihe an kritischen Fragen mit einer juristischen Unterlassungserklärung einer Beantwortung entzogen werden sollen, ist ein faustdicker Skandal! Im Übrigen hatten Marcus Reif und Markus Töpfer niemals beabsichtigt, Frau Eisenmann-Kohl in irgendeiner Art und Weise zu diskreditieren. Die Zitate „Vetternwirtschaft“ und „Geschmäckle“ sind aus Zeitungsartikeln der Main-Spitze und des Höchster Kreisblatts entnommen, die bis heute online stehen und offensichtlich nicht mit einer Unterlassungserklärung bedacht wurden. Wir haben also keine „rufschädigenden Vorwürfe“ konstruiert, sondern aus Zeitungsartikeln zitiert und dies mit Fragen verbunden.
Sollten wir bei Marion Eisenmann-Kohl für das Gefühl einer Verstimmung und Bedenken wg. Rufschädigung gesorgt haben, entschuldigen wir uns hierfür in aller Form und Ehrlichkeit. Dass sie diese Form des Kaufs einer Immobilie von der Terra gewählt hat, entbehrt gleichwohl nicht kritischen Fragen, die wir in aller Sachlichkeit stellten und deren Beantwortung bis heute noch aussteht.
Dass Genosse Mehler es auch mit den Interna der Aufsichtsratssitzung nicht so eng nimmt, kann man in seiner Pressemeldung erkennen, in der Details aus vertraulichen Sitzungen berichtet werden. Woher der Anwalt von Frau Eisenmann-Kohl die nicht-öffentlich zugänglichen Erkenntnisse aus der Aufsichtsratssitzung entnommen hat, die er in seiner Unterlassungserklärung verwendete, gilt es ebenfalls noch aufzuarbeiten. „So was habe ich in meinen 15 Jahren Kommunalpolitik noch nicht erlebt, dass hier so massiv mit der Unwahrheit gespielt wird. Mehler, der bis heute höchste Wertschätzung auch in der CDU genießt, verspielt seine Reputation mit solchen Angriffen, die von der Beantwortung der kritischen Fragen ablenken sollen. Es entsteht der Eindruck, dass hier die Verschwiegenheitspflicht zu Gunsten von Parteiinteressen zurückgestellt wurde. Das ist aus Sicht der CDU nicht akzeptabel. Dies zu bewerten ist aber Sache der Terra“, so Reif. „Wir fordern den Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Herrn Bürgermeister Antenbrink, auf, diesen Sachverhalt zu thematisieren“, so Reif und Töpfer.
In einer Pressemeldung der letzten Tage erklärte die SPD, sie freue sich über die Vernunft beim Verkauf des Grundstücks Erzbergerstraße. Wir möchten gerne anmerken, was auch bereits in der Stadtverordnetenversammlung verkündet wurde (2). Die CDU hat in gemeinsamer Anstrengung mit den anderen Fraktionen und dem Investor Michael Weiß eine deutlich abgespeckte Bebauung erreicht, die sich alleine in Größe und bebautem Umfang von der von Bürgermeister Antenbrink präferierten und von uns als zu wuchtig empfundenen Variante unterscheidet. Wir sind damit zufrieden, wollen aber den geäußerten Eindruck, dass wir einmal dagegen und dann wieder dafür sind, zerstreuen. Das zu behaupten, ist ebenso unredlich wie nicht der Wirklichkeit entsprechend.
Aus unserer Sicht sollten wir alle wieder zurückkommen zur politischen Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger. Die Sozialdemokraten sollten ihr im Duktus „wir haben doch die Wahl gewonnen“-Lamento einstellen.
Die Unterlassungserklärung haben Reif und Töpfer nicht unterschrieben und sich um anwaltliche Vertretung bemüht. Eine gerichtliche Auseinandersetzung würden beide bedauern, sehen ihr aber angesichts des Themas gelassen entgegen, was Frau Eisenmann-Kohls Anwalt schriftlich mitgeteilt wurde. Von einer eigenen Unterlassungserklärung haben Reif und Töpfer übrigens abgesehen.
Marcus Reif und Markus Töpfer
1.) 14 Wohnungen bereits verkauft
„Hier wird bald rege Betriebsamkeit herrschen“, freute sich der Geschäftsführer der Terra, Ulrich Schreiber, über den Beginn des Bauprojektes im Herzen der Untermainstadt. Besonders erfreut zeigte sich der Bürgermeister über die Tatsache, dass alle 14 Wohnungen im Ober- und Dachgeschoss bereits verkauft seien, und auch die drei Gewerbeeinheiten seien schon verkauft oder vermietet, „etwas Schöneres kann man sich gar nicht wünschen“.
2.) Grundstücksverkauf Erzbergerstraße, Flörsheim
Wir standen dem ursprünglichen Plan zur Bebauung kritisch gegenüber. Durch die massive Bebauung des ehemaligen Schützenhofs entstünde dort eine Verschluchtung, die in dieser massierten Art und Weise nicht die Entwicklung Flörsheims an dieser Stelle positiv dargestellt hätte. Die Fraktionen von CDU, Galf, dfb und FDP suchten das direkte Gespräch mit dem Investor und haben einen guten Kompromiss entwickeln können, über den wir sehr dankbar sind. Die Reduzierung des bebauten Bereichs um 156 qm beispielsweise, aber auch die Nutzung des mittleren Erdgeschosses für das künftige Familienzentrum als Anlaufstelle für alle Generationen bietet sich an, insbesondere durch die Nähe zur Kulturscheune lassen sich breite Angebote installieren. Wir stehen durch diesen Kompromiss dem Projekt positiv gegenüber und haben deshalb dem Verkauf des Grundstücks an den Investor Weiß gerne unsere Zustimmung erteilt.
3.) Terra kann offenbar nur eine Gewerbefläche im Flörsheimer Rathaus an Marion Eisenmann-Kohl verkaufen
Im April zeigte sich Terra-Aufsichtsratsvorsitzender und Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) noch hocherfreut über den Kauf der beiden Gewerbeflächen durch Eisenmann-Kohl. Dies sei ein „echter Glücksfall“ gewesen, so Antenbrink damals. Andernfalls wäre die Finanzierung für das gesamte Objekt fraglich gewesen. Mit der einen nicht verkauften, sondern nur vermieteten Gewerbefläche könne man dagegen gerade noch umgehen, so Antenbrink im April.