Investor möchte städtisches Gelände an der Landstraße in Richtung Hochheim erwerben, bebauen und vermarkten

Unaufgeregt verlief die Bürgerversammlung zum Gewerbegebiet West V. Die Parteien wiederholten ihre bekannten Positionen, und die Firma Nextparx stellte ihr in den Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung diskutiertes Konzept der Öffentlichkeit vor. Das Diskussionsforum lieferte zudem interessante Zahlen. Über 200 Besucher kamen zu der Versammlung.

Von Sascha Kröner

Auf einem Teil dieser Fläche, die zum Gewerbegebiet West V gehört, möchte die Firma Nextparx Lagerhallen sowie Büroräume errichten. Fotos: Nietner

Flörsheim.  Die Entwicklung eines neuen Gewerbegebietes wird auch Verkehr mit sich bringen. Diese Erkenntnis, die eigentlich jedem klar sein sollte, wurde am Mittwoch mehrmals in der Stadthalle wiederholt. „Ohne Schwerverkehr geht ein Gewerbegebiet nicht“, erklärte Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD). „Ganz ohne Verkehr und ganz ohne Lastwagen wird es auf keinen Fall gehen“, räumte auch Francisco Bähr von Nextparx ein. Die entscheidenden Fragen waren nun, mit wie viel Verkehr zu rechnen ist und wo dieser Verkehr fließen wird.

Zum Hintergrund: Die Stadtverordnetenversammlung hatte bereits 2002 einen Bebauungsplan für das 87 000 Quadratmeter große erste Teilstück des Gewerbegebietes an der Hafenstraße verabschiedet. 2009 stimmten die Stadtverordneten einem Vertrag der Stadt mit der Hessischen Landgesellschaft (HLG) zu, die die Entwicklung des Geländes auf eigene Kosten übernahm. Nun hat mit Nextpark ein Unternehmen Interesse gezeigt, das eine 74 000 Quadratmeter große Fläche für rund 12,5 Millionen Euro erwerben möchte. Die Stadt würde den Betrag erhalten, der über die Entwicklungskosten des Geländes hinausgeht – schätzungsweise 5 Millionen Euro.

Hinzu kommen spätere Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Nextparx plant flexibel nutzbare Büro- und Lagerflächen zu errichten und zu vermieten. Da nicht klar ist, welche Gewerbe nach dem Vertragsabschluss angesiedelt werden, äußerten einige Stadtverordnete Bedenken. Obwohl die CDU einst mit ihrem damaligen FDP-Koalitionspartner zu den Initiatoren des Gewerbegebietes gehörte, stimmte die Fraktion gegen den Vertrag mit Nextparx, da sie zunächst die Meinungen der Bürger hören wollte – so lautete jedenfalls die offizielle Begründung.

Das Thema Verkehr markierte im Vortrag der Nextparx-Vertreter, Christiane Kühl und Francisco Bähr, einen eigenen Abschnitt. So legte Projektentwickler Bähr den Flörsheimern die Daten von Routenplanern aus dem Internet sowie von Navigationsgeräten vor. Dabei hatte er für die fiktiven Fahrten in alle Himmelsrichtungen berücksichtigt. Egal, ob Transporte nach Mannheim, Köln, Bingen oder Bad Homburg rollen – Flörsheim würde vom Verkehr verschont bleiben.

Ein Lkw will immer den schnellste Weg fahren“, betonte Bähr. Eine Route durch Flörsheim und Weilbach schloss er aus, weil das Navigationsgerät den Weg durch Rüsselsheim oder zum Mönchhof-Dreieck als beste Strecke angibt. Francisco Bähr betonte, dass Nextparx keine Großspedition ansiedeln werde. Der Schwerpunkt liege bei mittelständischen Unternehmen, die in den Hallen eine Wertschöpfung betreiben. Bähr stellt die Nextparx-Projekte in Groß-Gerau und auf dem Mönchhof-Areal vor. Dort werden die Hallen unter anderem von der Metro als Umschlagplatz für Fisch genutzt sowie als Lager des Lufthansa Sky Service. Zu den weiteren Nutzern gehört das Speditions- und Logistik-Unternehmen Hasenkamp.

Mit ihren Beispielen habe Nextparx „den schlimmsten Fall vorgestellt, den man sich vorstellen kann“, erklärte Zuhörer Jörg Duchmann, Vorsitzender des Vereins „Weilbach wehrt sich“. Er bezeichnete das gezeigte Konzept von Nextparx als „Logistik-Landschaft“. Mit Transthermos habe man auf dem Hertie-Gelände bereits Erfahrungen gemacht, die man nicht wiederholen müsse, argumentierte der Weilbacher, der wissen wollte, ob sich Nextparx eine andere Nutzung des Geländes vorstellen kann. Nextparx bringe das Gewerbe in Hallen unter, weil sich diese flexibler nutzen lassen, erläuterte Francisco Bähr. „Die Nutzungen, die wir haben, sind meistens nicht sehr verkehrsintensiv“, erklärte der Sprecher des Unternehmens.

Ein anderer Weilbacher, der den Vortrag „inhaltlich schwer aufbereitet“ fand, wollte genaue Zahlen wissen und nahm Francisco Bähr regelrecht ins Verhör: Der Nextparx-Vertreter erläuterte, dass sich der geplante Standort auf dem betroffenen Teilabschnitt von West V zu rund 75 Prozent aus Hallen und zu 25 Prozent aus Büroräumen zusammensetzen würde. Auf Nachfrage erklärte er außerdem, dass am Nextparx-Standort in Groß-Gerau mit 250 bis 300 Lkw-Bewegungen täglich zu rechnen ist. Rathauschef Antenbrink verwies in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf das Durchfahrtsverbot für Lastwagen, das für die Rheinallee und Weilbach gelte. Außerdem gebe es aktuell bereits mehrere hundert Transportfahrten vom Shell-Tanklager aus, die keinen Flörsheimer stören, weil die Fahrzeuge über die Opel-Brücke gesteuert werden.

Ein Bewohner des Ortsteils Keramag-Falkenberg wurde durch den Bericht über das Fischlager hellhörig und fürchtete eine Geruchsbelästigung. Michael Antenbrink erklärte, dass in West V, im Gegensatz zu einem Industriegebiet, nur „möglichst emissionsarmes Gewerbe“ angesiedelt werden dürfen. Schließlich wurde das Gewerbegebiet in der Diskussion auch noch mit dem Fluglärm zusammengeworfen. Der Weilbacher Rainer Duchmann wollte wissen, ob Nextparx etwas dagegen unternimmt, dass der Fluglärm von den Hallen zur Keramag reflektiert wird. Bürgermeister Antenbrink betonte jedoch, dass die Anfluggrundlinie gar nicht mehr über das Gewerbegebiet führe. Ein anderer Zuhörer äußerte die Angst, dass ein neues Gewerbegebiet in Flughafennähe auch zusätzlich Flugbewegungen erzeuge. Francisco Bähr räumte ein, dass hochwertige Waren auch in der Luft transportiert werden und somit mehr Flugverkehr entstehen könne. Die Flörsheimerin Stefanie Brill kritisierte schließlich, das bei all den Kommentaren der positive Effekt des Gewerbegebietes übersehen werde: „Wenn wir uns das nicht holen, macht es ein Anderer“, stellte die Zuhörerin fest. „So haben wir die Einnahmen.“ Manche Besucher im Saal reagierten auf diese Aussage mit Applaus. Die Stadt kaufe mit Nextparx nicht „die Katze im Sack“, erklärte Verwaltungschef Michael Antenbrink. Er verwies auf das Bebauungsplanverfahren, in dessen Verlauf die Flörsheimer ihre Einflussmöglichkeiten behalten. Wenn der Verkauf an Nextparx scheitere, müsse die Stadt 6 bis 8 Millionen Euro aus dem Grundstücksankauf zurückzahlen. „Wir wollen als Stadt aber Geld haben und weiter investieren.“ Er vertrat die Ansicht, dass sich das Thema Verkehr in keinem anderen Gewerbegebiet besser lösen lasse als in West V.

Extra: Was die Fraktionen zu den geplanten Gewerbeflächen sagen

Durch seinen Einspruch hat Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) die mehrheitliche Ablehnung des Kaufvertrages mit Nextparx in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung erst einmal aufgehoben.

In der nächsten Sitzung am Dienstag, 30. Oktober, muss nun erneut über den Verkauf des 74 000 Quadratmeter großen Areals abgestimmt werden. Die Fraktionen stellten in der gestrigen Bürgerversammlung noch einmal ihre Positionen vor.

Die CDU hatte die Bürgerversammlung gefordert und war vor Erfüllung dieses Vorschlags nicht zu einer Zustimmung zum Kaufvertrag zu bewegen. Seine Partei stehe aber weiter für die Entwicklung des Gewerbegebietes ein, erklärte CDU-Vorsitzender Marcus Reif, der das Konzept des Investors Nextparx als „überzeugend“ bezeichnete. Allerdings gebe es weiterhin Bedenken, weil die öffentlich vorgestellten Planungsvarianten im eigentlichen Vertragsentwurf nicht festgelegt seien. „In den nächsten 20 Tagen müssen wir zu einer abschließenden Meinung kommen“, so Marcus Reif.

Die SPD werde für Nextparx stimmen, erklärte deren Fraktionsvorsitzender Wolfgang Pokowietz. Er hatte keine Bedenken wegen der zusätzlichen Verkehrslast. Die schnellste Verkehrsverbindung vom Gewerbegebiet führe nicht durch Flörsheim, so Pokowietz. „Wir brauchen das Gewerbegebiet West V“, betonte der Sozialdemokrat. Es würde alle hart treffen, wenn es nicht verkauft würde.

Trotz der anstehenden Wahlen für das Amt des Ersten Stadtrates werde sich die Galf nicht von ihrer ablehnenden Haltung abbringen lassen, erklärte die Galf-Fraktionschefin Renate Mohr. Ihre Partei habe bereits vor 15 Jahren Bedenken gegen West V angemeldet, weil sie die natürliche Landschaft für die Flörsheimer erhalten wolle. „Verkehr haben wir genug“, nannte Mohr ein weiteres Argument. Nun sei es an CDU und SPD, die mit ihren früheren Beschlüssen die heutigen Fakten geschaffen haben.

Auch die Freien Bürger sind weiterhin gegen den Verkauf an Nextparx. „Wir haben genug Gewerbeflächen, die man zuerst besiedeln könnte“, erklärte Thomas Probst. Wo die Lastwagen, die West V ansteuern, lang fahren, könne keiner kontrollieren, meinte der Fraktionsvorsitzende. sas

Quelle: Höchster Kreisblatt vom 12. Oktober 2012