Von Sascha Kröner
Am 10. Juli wird Norbert Hegmann 75 Jahre alt. Der Wickerer nimmt dies zum Anlass, um sein Stadtverordnetenmandat aufzugeben und von früheren Zeiten zu erzählen.
Wicker. In der jüngsten Sitzung der Stadtverordneten stand Norbert Hegmann noch am Rednerpult. Als der langjährige Lokalpolitiker sich zur Situation der Straßenbeschilderung in Flörsheim äußerte, ahnten die wenigsten Zuhörer, dass es sich um den letzten Auftritt des erfahrenen CDU-Mannes handelte. Nach rund 45 Jahren in der Flörsheimer Kommunalpolitik zieht Hegmann einen Schlussstrich unter die politische Laufbahn. Mit 75 Jahren aufzuhören sei seine „persönliche Lebensplanung“ gewesen, erklärt das Urgestein der Flörsheimer Kommunalpolitik.
Norbert Hegmann engagierte sich sowohl hauptamtlich als auch ehrenamtlich in der Stadtpolitik. Sein erstes Amt übernahm er im Jahr 1969 in Weilbach, das damals noch eigenständig war. Am 22. Januar 1969 wurde Hegmann zum Weilbacher Bürgermeister gewählt. „Mit 29 Jahren bin ich furchtbar ins kalte Wasser geworfen worden“, sagt der Christdemokrat rückblickend. Heute gibt Norbert Hegmann zu, dass er sich damals selbst stark unter Druck setzte, weil er zu viel erreichen wollte. „Ich hatte kein Zeitmanagement“; erläutert der langjährige Politiker. Nicht nur bei seinen Plänen gab Hegmann immer Vollgas: Er habe tatsächlich zwei Motoren kaputtgefahren, weil er immer von Termin zu Termin hetzte, berichtet er.
Müllgrube zugeschüttet
In Weilbach musste Hegmann nicht nur mit einer SPD-Mehrheit zurecht kommen, sondern auch verschiedene dringende Probleme angehen. Eine besondere Belastung für den Ort sei der wilde Kiesabbau gewesen, erklärt der Ex-Rathauschef. Die Weilbacher Kiesgrubenlandschaft habe er sich zunächst anders vorgestellt: „Ach, wie schön. Da kann man immer Schwimmen gehen“, sei sein erster Gedanke gewesen, erzählt Norbert Hegmann. In Wirklichkeit habe es sich um eine „Mondlandschaft“ gehandelt, auf der es drei Autofriedhöfe und viel wilden Müll gab. Mit sichtlichem Entsetzen erinnert sich Hegmann an die Lastwagen der Kiesunternehmen, die durch den Ort rollten und Dreck in den Straßen hinterließen. Kurz nach seinem Amtsantritt habe er eine stinkende und brennende Müllgrube, in der Abfälle aus Hofheim abgeladen wurden, „einfach zugeschüttet“, erklärt der frühere Bürgermeister mit einem zufriedenen Grinsen. Er berichtet auch von Versuchen der Gemeindevertretung, Beschränkungen für den Kiesabbau zu schaffen, die letztlich jedoch erfolglos blieben. „Eine nachhaltige, umweltverträgliche Lösung wurde erst durch die Gründung der GRKW möglich“, resümiert Norbert Hegmann.
Zu Beginn seiner Amtszeit gelang es allerdings, das erste Teilstück einer Ortsumgehung zu verwirklichen, das Weilbach vom Verkehr zwischen den Kiesgruben und der Autobahn entlastete. Norbert Hegmann war der sechste Weilbacher Bürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg und gleichzeitig letzter Rathauschef des Ortes. Seine Amtszeit wurde durch die Gebietsreform im Jahr 1972 beschränkt. „Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen“, gibt der CDU-Mann zu. Bevor Weilbach seine Selbständigkeit verlor, habe er aber möglichst viele Projekte auf den Weg bringen wollen. Die Liste reicht vom Neubau von Bürgersteigen und Straßenbeleuchtungen über die Gestaltung des Platzes vor der Alten Schule bis zur Erschließung von Neubaugebieten an der Goethestraße, Schillerstraße sowie am Faulbrunnenweg.
Nach der Eingemeindung Weilbachs nach Flörsheim setzte Norbert Hegmann seine politische Tätigkeit bis 1981 als hauptamtlicher Erster Stadtrat fort. Von 1981 bis 1999 saß er als Erster Stadtrat für die CDU im Rathaus. Zu den einprägsamsten Ereignissen dieser Amtsjahre zählt ohne Zweifel der Verkauf des Flörsheimer Waldes im Dezember 1980. Flörsheim war in den Fokus der Proteste gegen die Startbahn West geraten, weil die Kommune ihr großes Waldstück auf der anderen Mainseite an Flughafenbetreiber Fraport verkaufen sollte. „Wir waren solidarisch mit den Nachbargemeinden“, betont Norbert Hegmann. Nachdem alle Prozesse gegen die Startbahn verloren gingen, habe er jedoch die Entscheidung befürwortet, die der Stadt den größten finanziellen Gewinn verschaffte. „Bevor man uns enteignet, wollten wir schauen, ob wir mit der Fraport klar kommen“, erklärt der Christdemokrat. Die folgenden Ereignisse erscheinen aus heutiger Sicht undenkbar: Die Stadtverordnetenversammlung, bei der der Waldverkauf beschlossen werden sollte, fand trotz einer Bombendrohung statt, nachdem die Polizei das Gebäude im Vorfeld durchsucht hatte. Kurz bevor die Entscheidung anstand, sei die Halle von Demonstranten gestürmt worden, berichtet Norbert Hegmann. Die CDU habe sich unter Polizeischutz in einen Raum hinter der Bühne zurückgezogen und dort den Waldverkauf beschlossen. Die Nerven lagen damals so blank, dass die Hauptakteure auch im Anschluss geschützt werden mussten. „Wir hatten acht Tage die Polizei bei uns im Haus“, erzählt Norbert Hegmann. Nach seiner hauptamtlichen Tätigkeit engagierte er sich ab April 2001 ehrenamtlich als Stadtverordneter in der CDU Fraktion.
Das Fraktions-Gedächtnis
Die Spitzen der Flörsheimer CDU bedauern Hegmanns Rücktritt: „Vieles, was heute selbstverständlich für uns ist, sind Ideen, bei denen sich Norbert Hegmann maßgeblich eingebracht hat“, erklärt der Vorsitzende Steffen Bonk. „Die Fraktion verliert ein Gedächtnis“, findet der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christopher Willmy. Für Hegmann ist es aber Ehrensache, dass er auch nach der Rückgabe seines Fraktionssitzes mit Rat und Tat zur Seite stehen will. Schließlich stamme er aus Oggersheim, dem Heimatort von Altkanzler Helmut Kohl. „Ich bin alter CDU-Adel, und ich werde bis zum Ende für die CDU kämpfen“, betont Norbert Hegmann.