Viererbündnis lehnt Vertrag mit einem privaten Kita-Betreiber ab
Die teuerste Lösung für die Stadt Flörsheim ist nun endgültig vom Tisch. Das Viererbündnis von CDU, Galf, Freien Bürgern und FDP hat sich nicht von Rathauschef Michael Antenbrink (SPD) überzeugen las- sen, einen Vertrag mit dem Unternehmen Educcare abzuschließen. Das Unternehmen sollte den Bau sowie Betrieb einer neuen Kindertagesstätte an der Hauptstraße übernehmen.
VON SASCHA KRÖNER
Flörsheim. Die Mainstadt braucht dringend weitere Kinder- betreuungsplätze. Diese Tatsache wird mittlerweile gebetsmühlen- artig von allen politischen Frak- tionen wiederholt. Es ist gewissermaßen der kleinste gemeinsame Nenner. Für die Einigung auf einen Kita-Betreiber reicht diese Erkenntnis in der Kommune jedoch nicht aus. Einen Vertrag mit dem Unternehmen Educcare, das eine neue Kita in der Hauptstraße übernehmen wollte, lehnte das Viererbündnis aus CDU, Galf, dfb und FDP in der Stadtverordnetenversammlung am Mittwoch ab. Es ist eine Geschichte, die mit Misstrauen, Blockaden und sogar Drohungen „angereichert“ ist.
Tiefe Gräben
Auf dem Papier klang die Zusammenarbeit mit dem privaten Betreiber, die Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) als „alternativlos“ bezeichnete, verlockend. Schließlich hätte Educcare ein eingespieltes Erzieher-Team von seinem bisherigen Standort in Eschborn mit nach Flörsheim gebracht. Dem Mehrheitsbündnis der Stadtverordneten war die finanzielle Belastung für die Stadt allerdings zu hoch. Es zeigte sich aber auch, dass die tiefen Gräben, die zwischen dem Bürgermeister sowie dem Viererbündnis seit Monaten gibt, die Hauptrolle spielen. Die Diskussion über Sachthemen leidet unter diesem Klima.
Für Bürgermeister Antenbrink lief die Entscheidung auf zwei Fragen hinaus: „Ist der Vertrag mit Educcare zu teuer?“ und „Gibt es eine vergleichbare andere Lösung?“ Beides verneinte der Rathauschef, der in einem langen Redebeitrag für den Vertragsabschluss warb. Die Stadt brauche eine schnelle Lösung, um Schadensersatzforderungen der Eltern abzuwenden. Antenbrink argumentierte, dass die Mehrkosten von Educcare nicht unverhältnismäßig seien, weil eine hohe Qualität geboten werde. Der Bürgermeister schloss seine Ausführungen mit dem Hinweis, er gehe davon aus, dass der Erste Stadtrat Sven Heß (Galf ) seine Ansicht teile. Dieser äußerte sich auf Nachfrage der Stadtverordneten und erklärte – im Gegensatz zu Antenbrink – dass Eltern, die ihren Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung verletzt sehen, den Main-Taunus-Kreis als örtlichen Jugendhilfeträger verklagen müssten. Bisher habe es noch keine einzige Klage gegeben. Bürgermeister Antenbrink verteidigte seine Einschätzung drohender Schadenersatzforderungen. Er ergänzte, dass der Kreis in diesem Fall versuchen würde, der Stadt grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen.
Dass die Versuche des Rathauschefs längst vergeblich waren, offenbarte der Redebeitrag von Galf-Fraktionschefin Renate Mohr. Die Sprecherin der Flörsheimer Grünen erteilte dem Vertrag mit Educcare eine klare Absage und präsentierte einen eigenen Antrag des Viererbündnisses, der vorsieht, dass die Stadt die geplante Kita in der Hauptstraße selbst betreibt. Dieser Schritt sorgte zunächst einmal für überraschte Gesichter beim Bürgermeister und der SPD-Fraktion, weil das Viererbündnis seinen konkurrierenden Antrag nicht in der Vorstandssitzung der Stadtverordnetenversammlung angekündigt hatte. Renate Mohr sprach von der Sorge, dass der Educcare-Vertrag die Stadt in zehn Jahren insgesamt 2,4 bis 3,4 Millionen Euro mehr koste als eine städtische Kita. Eine Rechtfertigung höherer Kosten mit hoher Qualität wies Renate Mohr zurück. Dies sei ein Affront gegen bestehende Flörsheimer Einrichtungen, die ebenfalls gute Arbeit leisten. Die Galf-Sprecherin ging auch auf grundsätzliche Probleme der politischen Zusammenarbeit im Vorfeld der Abstimmung ein. Das Bündnis hätte gerne im Ausschuss über alle offenen Fragen diskutiert – doch der Bürgermeister habe dem Kämmerer Sven Heß leider nicht das Wort erteilt. Obwohl in der Runde der Fraktionsvorsitzenden um Einsicht in den Vertrag mit dem privaten Betreiber gebeten wurde, sei diese erst kurz vor der Stadtverordnetenversammlung gewährt worden.
„Ich sehe mich nicht in der Lage ein solches Werk in 30 Minuten zu sichten“, so Renate Mohr. Die Fraktionen hätten wieder unter völligem Zeitdruck gestanden. „Gute kommunalpolitische Arbeit sieht anders aus“, betonte Renate Mohr. Sie sprach auch von Drohungen: Bürgermeister Antenbrink habe gesagt, dass es zu ihrem ganz persönlichen Problem werde, wenn sie den Educca-Vertrag ablehne. Renate Mohr ließ durchblicken, dass sich am Mittwoch noch ein weiterer Bewerber für den Betrieb der Kita bei der Stadt meldete. Die Glückskinder GmbH, die Kitas in Hofheim und Sulzbach betreibt, hat um Gespräche gebeten.
„Heute ist sicherlich nicht der richtige Tag, um über einen Vertrag mit Educcare abzustimmen“, meinte CDU-Fraktionschef Marcus Reif vor diesem Hintergrund. Dabei gehe es gar nicht um Kritik am Betreiber. Die Stadtverordneten könnten nicht immer die erstbeste Lösung wählen, nur weil sie unter Druck geraten. „Wenn 800 000 Euro zu massiven Problemen wie Einsparungen bei der Feuerwehr führen, können wir das nicht einfach so durchwinken“, spielte Reif auf die Streichliste des Bürgermeisters bei den Sach- und Dienstleistungen an. Die CDU hatte die Streichungen bei der Feuerwehr und den Vereinen als Retourkutsche für die Kürzung der Haushaltsmittel bezeichnet. Alle Fraktionen, außer der SPD, stimmten für den Antrag, der den Betrieb der neuen Kita durch die Stadt vorsieht. Der Bau der Einrichtung soll weiterhin durch die Firma MBN Bau erfolgen.
SPD kritisiert Sven Heß
SPD-Fraktionschefin Marion Eisenmann-Kohl wollte vom Kin- der und Jugenddezernenten Sven Heß wissen, wann er die Kita unter den neuen Vorzeichen auf den Weg bringen kann. Erster Stadtrat Heß erklärte, dass der Betrieb von Kindertagesstätten seit 20 Jahren zum Tagesgeschäft der Stadt Flörsheim gehöre. Er werde sich sofort hinsetzen und sich bemühen, bis zum 1. Januar 2018 das entsprechend notwendige Personal zu finden. Zeitverzug werde es nicht geben.
Dies bezweifelte Sozialdemokratin Melanie Ernst. Sie wollte wissen, „in welcher Welt“ der Erste Stadtrat denn lebe. Ein Betreiber wie Educcare, der sich mit einem kompletten Team bewerbe, werde in anderen Städten „mit Kusshand“ genommen.
Quelle: Höchster Kreisblatt vom 12. Mai 2017