Wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Marcus Reif auf die Kommunalpolitik in Flörsheim im vergangenen Jahr blickt und was im kommenden Jahr angegangen werden muss
Was hat Ihre Partei, Ihre Fraktion, im vergangenen Jahr für die Bürger geleistet?
Bei einer Kommunalwahl geben Menschen ja ihr Votum ab und das versteht man als Auftrag, über die Wahlperiode hinweg gute Arbeit zu leisten. In diesem Jahr ist es uns gelungen, die Schwerpunkte der CDU im Stadtentwicklungskonzept sehr gut durchzusetzen. Es gibt immer sehr viele verschiedene Ideen, wenn es um Stadtentwicklung geht. Ich glaube, dass wir mit der kleinteiligen und durchmischten Bebauung eine sehr gute Entscheidung für moderates Wachstum getroffen haben, die auch die Integration von neuen Flörsheimern in die Gesellschaft zulässt und die Stadt nicht überfordert. Darauf können wir eine ganze Wahlperiode stolz sein. Genauso stolz sind wir, aus der Hessenkasse ausgestiegen zu sein und wieder solide wirtschaften zu können
Der Herrenberg war bei der vergangenen Kommunalwahl eines der ganz großen Themen. Es ist der Stadt nicht gelungen, die Gestaltungshoheit zu erlangen. Wie zufrieden sind Sie mit der Situation?
Es gibt einen Bauantrag von Herrn Sengül, der den Herrenberg ertüchtigen will. Die ersten Pläne wirken vernünftig. Es sieht aus, als würde es zu einer zweckmäßigen Wohnbebauung hingeführt. Wir werden die Pläne positiv begleiten, aber immer auch mit einem kritischen Auge draufschauen, was genau dort passiert. Eine wohnliche Aufwertung bedeutet aber auch, dass künftige Mieter ein anderes Umfeld einfordern werden. Auch dort wird es gewissen Druck auf den Vermieter geben, den er aus meiner Sicht nur in den Griff bekommt, wenn er selektiert, welches Gewerbe noch passt.
Kita-Pusteblume, Stadtgarten, Sanierung Haus am Weilbach, Umgehungsstraße – Projekte dauern lange, werden verschoben, neu ausgeschrieben. Ist die Verwaltung nur Opfer der Umstände oder selbst Teil des Problems?
Ich möchte niemanden aus der Verwaltung als Problem beschreiben. Das ist nicht meine Auffassung von Zusammenarbeit. Angesichts der Preisexplosionen hat man sich beim Stadtgarten zu Recht nochmal Gedanken gemacht, ob die Pläne in der ursprünglichen Form zu finanzieren sind. Bei der Kita Pusteblume gab es Verzögerungen, es sieht aber aus, als ob alles im groben Budgetrahmen bleibt. Die Einrichtung soll ja zunächst einen Bedarf für höchstens zehn Jahre decken und danach zum Wohnraum zurückgebaut werden, wenn man in der Krimling weitere Kapazitäten geschaffen hat. Als Erweiterungsbau für eine Kita ist der Platz an der viel befahrenen Straße ja völlig deplatziert. Als verantwortlich für die Probleme sehe ich aber die gestörten Lieferketten.
Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit von Bürgermeister und Erster Stadträtin?
Ich bin uneingeschränkt zufrieden. Ich finde, dass Abstimmungen, Informationsfluss und Ziele gut gewählt sind und im Einklang stehen mit den Dingen, die wir einander versprochen haben.
Die Stadtgarten-Sanierung fällt aus Kostengründen zunächst eine deutliche Nummer kleiner aus. War es klug, das Projekt überhaupt anzugehen?
Die Planungen waren alle richtig. Dass man jetzt einen Phasenansatz wählt, finde ich klug, denn wer kann heute drei Monate in die Zukunft blicken?
Braucht Flörsheim ein neu gestaltetes Mainufer?
Alles hat seine Zeit und so fällt auch alles aus seiner Zeit. Wir sind stolz, das Schifferstädtchen am Main zu sein und somit muss man von Zeit zu Zeit diese Visitenkarte der Stadt neu ertüchtigen. Es ist eine sehr moderate, aber sehr schöne Form der Ertüchtigung, es wird eine Augenweide für Flörsheim sein.
Das ISEK hat die Kommunalpolitik im vergangenen Jahr enorme Kraft gekostet. Ihr Fazit: Großer Wurf oder Zeit- und Geldverschwendung?
Die Meinungen gehen da weit auseinander. Ich kann für meine Fraktion und die Koalition sagen, dass das Integrierte Stadtentwicklungskonzept den Austausch zwischen den Fraktionen und die unterschiedlichen Sichtweisen enorm gut in einen Rahmen gepackt hat. Dieser Rahmen hat uns zu konkreten Beschlüssen zum Wann und Wie geführt und uns bestätigt, dass Stadtentwicklung als langfristig angelegte Strategie zu betreiben ist. Dass wir eine Höchstzahl an Einwohnern definiert haben, ist schon mal ein gutes Zeichen. Eine gute Entwicklung der Kommune muss mit Augenmaß erfolgen und darf nicht zu negativen Beispielen führen, wie wir sie in Raunheim, Okriftel, Schwalbach oder in Hochheim in der Danziger Allee sehen. Viele Entscheidungen sind übrigens mit großer Mehrheit getroffen worden.
Wie viele neue Sozialwohnungen braucht Flörsheim in den kommenden zehn Jahren?
45 bis 60
Gefahrenabwehrverordnung, Sicherheitspartnerschaft für den Bahnhof, Kompass-Umfrage – ist die Stadt sicherer und das Stadtbild schöner geworden?
Sicherer auf jeden Fall. Ich nehme wahr, dass das Ordnungsamt als Stadtpolizei mit seiner Präsenz ein großer Beitrag zum subjektiven Sicherheitsgefühl ist. Auch statistisch ist Flörsheim sicherer geworden. Ob das die Leute, die am Herrenberg vorbeigehen, wenn es dunkel ist, genauso teilen, wage ich zu bezweifeln. Vieles ist aber nicht in der Hand der Politik oder des Bürgermeisters.
Haben Sie Angst vor diesem und dem kommenden Winter?
Ich glaube, dass wir gut vorbereitet sind. Es ist Konsens in der Stadtpolitik, dass man bei städtischen Mietern in Schwierigkeiten sehr großzügig sein wird. Dazu hat die Bundesregierung mit der Gaspreisbremse und Hilfspaketen den Rahmen geschaffen, dass niemand wegen Zahlungsausfällen bei den Energiekosten gekündigt werden darf. Da passiert eine Menge, damit der Bürger keine Angst vor dem Winter hat. Auch Flörsheim hat einen Beitrag zu leisten, dass Menschen, die vor Krieg und Kälte fliehen, hier Hilfe bekommen. Diese Hilfe werden wir gerne leisten, aber wie immer im Leben ist diese Hilfe auch begrenzt.
Welche Themen müssen in diesem Jahr dringend erledigt werden?
Ich glaube, wir müssen Dinge, die uns wichtig sind, ein Stück weit aus diesem Krisenmodus herausführen. Seit 2018 sind alle Behörden und Verwaltungen absolut am Limit. Ich wünsche mir, dass wir die Luft haben, uns Themen wie der Grünflächenentwicklung zu widmen oder wie wir es schaffen, dass sich die Flörsheimer wieder etwas verantwortlicher für ihr Umfeld fühlen und sich für ihre Stadt engagieren.
Flörsheim. Die Fragen stellte Jens Etzelsberger. Marcus Reif (48) ist seit 2008 Fraktionsvorsitzender der CDU. Der Personalleiter einer Bank in Frankfurt ist Vater von zwei Kindern und lebt in Weilbach.
Quelle: Main-Spitze vom Samstag, dem 21. Januar 2023