SOLIDARITÄT: Historiker Bernd Blisch sieht Stadt in besonderer Pflicht / Jeden Monat demonstrieren
FLÖRSHEIM – Mit einer Mahnwache vor der Stadthalle haben am Dienstagabend mehr als 100 Menschen, darunter Schwester und Eltern von Deniz Yücel, die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten und gebürtigen Flörsheimers gefordert. Aufgerufen zu der Mahnwache genau einen Monat nach der Ingewahrsamnahme des Welt-Korrespondenten, die mittlerweile in eine Untersuchungshaft gemündet ist, hatten alle im Stadtparlament vertretenen Fraktionen.
„Es ist wichtig, nach vier Wochen zu zeigen, dass er unschuldig im Gefängnis sitzt“, sagte Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD). Wenn man Freundschaft ernst nehme, erwachse aus der Verbindung der Stadt zur Türkei, manifestiert durch viele familiäre Verbindungen von Flörsheimer Bürgern und die Städtepartnerschaft mit Güzelbahce, auch die Verantwortung, auf Fehlentwicklungen hinzuweisen, so Antenbrink. Es gehe nicht nur um Deniz Yücel, sondern um das Grundrecht auf Meinungsfreiheit an sich.
Als Gast sei auch Präsident Erdogan in der Stadt herzlich willkommen. Allerdings wisse ein Gast auch, wie er sich zu benehmen habe, so Antenbrink. Nazi-Vergleiche gehörten nicht dazu. Ilkay Yücel, die Schwester des Inhaftierten, dankte den Teilnehmern, dass ihr Bruder nicht vergessen werde. Vor einer Woche habe sie im Gefängnis eine Stunde mit ihm reden können. Die Solidarität aus seiner Heimatstadt bewege ihren Bruder besonders, sagte Ilkay Yücel. SPD-Fraktionsvorsitzende Marion Eisenmann-Kohl erinnerte daran, dass in der Türkei weltweit die meisten Journalisten inhaftiert seien.
Historiker Bernd Blisch (CDU) lenkte den Blick auf die besondere Verpflichtung der Stadt, für Meinungs- und Pressefreiheit einzutreten. Mit dem Journalisten und späteren Politiker Jakob Altmaier, der vor den Nazis flüchten musste, habe die Stadt einen Ehrenbürger, der Verpflichtung und Mahnung zugleich sei.
Blisch forderte aber auch, die Städtepartnerschaft mit Güzelbahce ernst zu nehmen und dazu zu nutzen, der eigenen Bevölkerung das Partnerland wirklich näher zu bringen und mehr Themen in den Fous zu nehmen als gemeinsames Essen, Trinken und Feiern.
Carola Gottas mahnte für die Galf, die Freiheiten in Deutschland zu schützen. Die Situation in der Türkei zeige, wie schnell sich Dinge ändern könnten. Angesichts von Alltagsrassismus und Fremdenhass, die auch in Flörsheim wieder auf dem Vormarsch seien, brauche es Journalisten wie Deniz Yücel, die die Öffentlichkeit wachrütteln.
Die Stadt will künftig an jedem 14. eines Monats mit einer Mahnwache an Deniz Yücel erinnern und seine Freilassung fordern. Ob der Termin am 14. April schon ausfallen kann, hält Bürgermeister Michael Antenbrink angesichts des Referendums am 16. April allerdings für fraglich.
Quelle: Main-Spitze vom 15. März 2017