Grün-schwarze Koalitionen, vor allem auf kommunaler Ebene, und in Hessen jetzt auch auf Landesebene, gehören inzwischen zur Selbstverständlichkeit. Die erste grün-schwarze Zusammenarbeit Hessens gab es vor 20 Jahren in Flörsheim (Main-Taunus-Kreis). Sie währte aber nur kurz.
FLÖRSHEIM. Grün-schwarze Koalitionen, vor allem auf kommunaler Ebene, und in Hessen jetzt auch auf Landesebene, gehören inzwischen zur Selbstverständlichkeit. Die erste grün-schwarze Zusammenarbeit Hessens gab es vor 20 Jahren in Flörsheim (Main-Taunus-Kreis). Sie währte aber nur kurz.Auch damals war es – wie heute der Ausbau des Frankfurter Flughafens – ein großes Bauprojekt, das Grüne und CDU im Kommunalwahlkampf 1993 scheinbar unversöhnlich trennte. Die CDU wollte, ebenso wie SPD und FDP, für Flörsheim und die beiden Stadtteile Wicker und Weilbach endlich die seit den siebziger Jahren geplante Umgehungsstraße realisieren. Die Grün Alternative Liste Flörsheim (Galf) war strikt dagegen, würde diese Straße doch die „Flörsheimer Schweiz“, ein beliebtes Naherholungsgebiet, durchschneiden.
Eigentlich wäre es logisch gewesen, dass die CDU nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit mit der SPD koaliert. Doch die erhob für den Fall einer Zusammenarbeit Anspruch auf den Posten des Ersten Stadtrats, den die CDU mit Norbert Hegmann schon seit fast zwei Jahrzehnten besetzt hatte. Hegmann sollte für eine weitere Amtszeit wiedergewählt werden.
Die Grünen waren bescheiden
Die Grünen waren damals nicht so anspruchsvoll wie die SPD. Ein strategischer Fehler, wie sich später herausstellen sollte. Die Galf war mit dem Posten des Stadtverordnetenvorstehers und einer ehrenamtlichen Jugenddezernentin zufrieden und wollte dafür Hegmann wiederwählen.
Weil man sich beim umstrittene Thema Umgehungsstraße, nicht einig wurde, fand sich eine unkonventionelle Lösung. Beide Fraktionen vereinbarten, für die laufende Legislaturperiode das Thema einfach auszuklammern.
Die ungewöhnliche Koalition, die damals bundesweites Medieninteresse hatte, rechnete nicht mit der Pfiffigkeit der SPD. Kurzerhand brachten die Sozialdemokraten im Parlament einen dem Text nach harmlosen Antrag ein. In diesem Antrag wurde der Magistrat aufgefordert, sich wieder mal bei der hessischen Landesregierung zu erkundigen, wie weit die Vorbereitungen für den Bau der Umgehungsstraße gediehen seien und deutlich zu machen, dass man diese Straße nach wie vor dringend wolle.
Und schon gab es nach nicht einmal zwei Jahren die Zerreißprobe für das schwarz-grüne Bündnis ebenso wie für die CDU. Denn die hatte im Wahlkampf versprochen, endlich den Bau der Umgehungsstraße voranzutreiben. Schließlich stimmte die CDU-Fraktion dem SPD-Antrag zu. Noch am gleichen Abend zerbrach die mühsam geschmiedete Koalition mit den Grünen.
Für die CDU war das nicht weiter tragisch, denn sie hatte ihr Hauptziel, die Wiederwahl des Ersten Stadtrates, durchgesetzt. Die Grünen standen da wie begossene Pudel und erkannten erst jetzt, dass sie von der CDU wohl kräftig über den Tisch gezogen wurden.
Zwanzig Jahre danach schauen Flörsheims Grüne gespannt nach Wiesbaden und hoffen, dass sich die Grünen in der Landespolitik nicht genauso über den Tisch ziehen lassen, wie es damals in der beschaulichen Untermainstadt passierte. Die CDU konnte nicht andersDer frühere CDU-Fraktionsvorsitzende Heinz-Josef Großmann erinnert sich noch gut an das Bündnis. Er billigt der SPD in dieser Situation „eine gewisse Raffinesse und politisches Geschick“ zu. Die CDU habe damals nicht anders gekonnt, als sich für die Umgehungsstraße zu entscheiden.
Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Gerd Mehler zieht Parallelen zur heutigen grün-schwarzen Koalition in Wiesbaden, wo man mit dem Flughafen auch ein Reizthema zwischen beiden Partnern durch geschickte Formulierungen weitgehend ausgeblendet habe.
Für Mehler war die SPD in Flörsheim damals in der Pflicht, einen Antrag zur Umgehungsstraße einzubringen, zumal sich nach der grün-schwarzen Koalition eine Bürgerinitiative gebildet hatte, die den Bau der Straße vehement forderte.
Sven Heß war damals für die Grünen an den Koalitionsverhandlungen beteiligt. Heute ist er in einer rot-grünen Koalition Erster Stadtrat in Flörsheim. Damals seien die Grünen in Flörsheim zu blauäugig gewesen und hätten sich neben dem Parlamentsvorsteher mit einer ehrenamtlichen Jugenddezernentin zufriedengegeben. Zudem hätten sie der CDU geglaubt, dass sie zu den im Koalitionsvertrag vereinbarten Themen stehe.
Die Situation der aktuellen schwarz-grünen Koalition in Wiesbaden schätzt Heß anders ein. In der Flughafenfrage sei durch den Planfeststellungsbeschluss zwar der Rahmen gesetzt, doch könne für die Bürger sicher mehr Lärmminderung erreicht werden, als das bei einer Großen Koalition der Fall gewesen wäre. Er sei sicher, dass die Koalition halte.
Die Flörsheimer Umgehungsstraße ist übrigens bis heute nicht gebaut, weil sie inzwischen durch einen Bürgerentscheid abgelehnt wurde.