FLÖRSHEIM – In der zweiten gemeinsamen Sitzung von Haupt- und Finanzausschuss und Bauausschuss zum Stadtentwicklungskonzept wurde deutlich konkreter diskutiert als beim Auftakt. Der rote Faden, an dem sich die Kommunalpolitiker entlanghangelten, waren die Ergebnisse der interfraktionellen Arbeitsgruppe zum Stadtentwicklungskonzept, die sich im Vorfeld der Bürgermeisterwahl nach einigen Sitzungen auflöste.
Dabei wurde schnell klar, dass die größten baulichen Entwicklungsmöglichkeiten in den Stadtteilen Wicker und Weilbach liegen. In der Stadtmitte behindern die durch den Flughafenausbau erlassenen Siedlungsbeschränkungen die einst geplante halbrunde Entwicklung der Stadt um den gedachten Mittelpunkt am Berliner Brunnen.
Entwicklungszeit beträgt 15 Jahre
So groß die Flächen in den Stadtteilen, so enorm wäre auch der Bevölkerungszuwachs. Alleine in Wicker stünde mit dem Areal hinter der Goldbornhalle östlich von Feldbergstraße und der Straße „Am weißen Stein“ eine Baufläche von zwölf bis 14 Hektar zur Verfügung. Legt man die Vorschriften des Flächennutzungsplans zugrunde, die laut Bürgermeister Michael Antenbrink 40 bis 100 Wohneinheiten pro Hektar fordern, ergeben sich schnell 2500 Neubürger. „Was macht das mit einem Ort“, fragte Frank Laurent (Galf).
Auch in Weilbach, wo allein am Glücksmaiser Weg nördlich der Langenhainer Straße elf Hektar Baugebiet entwickelt werden könnten, wäre Wohnraum für bis zu 2000 Neubürger möglich. Und es gibt noch mehr Potenzial in dem Ortsteil. Nördlich der Mainzer Straße in Richtung Wicker, westlich der Rüsselsheimer Straße in Richtung Flörsheim sowie zwischen Berliner Straße und Mainzer Straße („In der Lehmkaut“) wäre noch Bebauung denkbar, hieß es in der Sitzung. Bis diese nie von einem Bebaungsplan berührten Gebiete aber tatsächlich bebaut werden könnten, verginge eine Entwicklungszeit von mehr als 15 Jahren, so HFA-Vorsitzender Marcus Reif.
OHNE FNP
Steffen Bonk (CDU) machte in der Sitzung auch auf Möglichkeiten aufmerksam, Flächen zu entwickeln, die nicht im Flächennutzungsplan (FNP) ausgewiesen seien. So werde das Bauen im Bestand nach § 34 des Baugesetzbuches mittlerweile so großzügig ausgelegt, dass auch Siedlungsrandbereiche bebaut werden könnten. Auch der Paragraf 13 des Baugesetzbuches biete Möglichkeiten der vereinfachten Bauplanung. Denkbar sei auch, Baugebiete zu tauschen, also Areale mit Bebauungsplan nicht zu entwickeln und dafür an anderer Stelle zu bauen. Angesichts der Wohnungsnachfrage im Rhein-Main-Gebiet sei ohnehin viel möglich, was früher eher schwer durchzusetzen gewesen sei, so Bonk. (etz)
Bürgermeister Michael Antenbrink verwies auch darauf, dass der Regionalverband keine Ausweisung neuer Baugebiete genehmige, so lange nicht bereits ausgewiesene Areale, wie etwa das Areal Krimmling südlich der Weilbachhalle bebaut seien. Auch in Bad Weilbach geht noch was, zumindest theoretisch. Hier dränge sich der Bereich um die Natron-Lithium-Quelle und das Areal des Baustoffhandels für eine städtebauliche Neuordnung auf. Die von Frank Laurent (Galf) formulierte grundsätzliche Frage („Wollen wir das überhaupt?“), ob die Stadt die ganzen theoretisch möglichen Baugebiete auch tatsächlich nutzen und den vom Regionalverband prognostizierten Wohnungsbedarf von 1300 Wohneinheiten bis 2030 auch befriedigen soll, blieb an dem Abend aber unbeantwortet.
Nicht diskutiert wurde auch die Forderung der SPD, die Bebauung der Krimmling in Weilbach und des Goldborn-Areals in Wicker unabhängig vom Stadtentwicklungskonzept zu betreiben. Gerade das Konzept der Firma Noll, die am Ortsausgang Richtung Massenheim einen Supermarkt und Wohnhäuser realisieren will, sei „noch immer interessant“, so Melanie Ernst (SPD), die sich dafür aussprach, dort vorrangig Wickerer Bürger zum Zuge kommen zu lassen.
Für die Entwicklung jedweder Baugebiete wurden in der Diskussion aber grundsätzliche Voraussetzungen formuliert. Ohne ein Mitwachsen der Infrastruktur (Kitas, Schulen, ÖPNV), dem Erhalt von Frischluftschneisen, einem umfassenden Fußgänger- und Radverkehrskonzept und einer Begrünung der neuen Baugebiete seien diese nur schwer denkbar.
Genannt wurden auch Möglichkeiten, Wohnraum zu schaffen, ohne neue Baugebiete auszuweisen. Denkbar sei etwa ein Aufstocken bestehender Gebäude, die Bekämpfung von Leerstand oder der Wohnungstausch zwischen Senioren, die viel Platz haben aber weniger wollen und Familien, bei denen es sich umgekehrt verhält. Mit dem Wissen um die möglichen Erweiterungsmöglichkeiten für die Stadt sollen die Fraktionen bis zur nächsten Sitzung nun ihre Positionen dazu erarbeiten.
Quelle: Main-Spitze vom 30. August 2018