Einer der Gestalter der Gebietsreform, Mathäus Lauck, berichtet über die Hintergründe

Jungen Menschen mag die heutige Ordnung des Main-Taunus-Kreises selbstverständlich erscheinen. Das gilt auch für die Zusammensetzung des Flörsheimer Stadtgebietes. Abgesehen von scherzhaften Rivalitäten während der Kerb und der Fastnachtszeit wird wohl niemand die Gemeinschaft der drei Stadtteile in Frage stellen. Vor einem halben Jahrhundert war dies allerdings noch Neuland: Im Zuge der hessischen Gebietsreform der Jahre 1971/72 wurde der Zusammenschluss mit Wicker und Weilbach auf den Weg gebracht. Flörsheims Ehrenbürger Mathäus Lauck erinnert sich an die damalige Stimmung und die Verhandlungen. 

Die regionalen Beratungen, die vor 50 Jahren in die heutige Einteilung der Kreise mündeten, hätten sich schon früh um Flörsheim gedreht, berichtet Lauck. „Es hat im Grunde fast bei uns angefangen, weil Rüsselsheim Flörsheim übernehmen wollte“, erinnert sich der 90-Jährige. Nachdem diese Absicht verworfen wurde, habe es Bestrebungen im Kreis Groß-Gerau gegeben, sich Flörsheim einzuverleiben. Doch so weit kam es bekanntermaßen nicht. „Da hat sich alles instinktiv gewehrt“, erzählt Mathäus Lauck. Schließlich sei der Main schon seit Jahrhunderten eine natürliche Grenze für die politische und konfessionelle Herrschaft gewesen. 

Als die Selbständigkeit und die Kreiszugehörigkeit Flörsheims geklärt waren, sei es unmittelbar anschließend um die Eingemeindung von Wicker und Weilbach gegangen. Andere Zusammenschlüsse waren damals im Gespräch. Hochheim habe auch Kontakte nach Wicker gepflegt und Hattersheim habe die Fühler nach Weilbach ausgestreckt, sagt Lauck. Der CDU-Mann hatte damals das Amt des Flörsheimer Stadtverordnetenvorstehers inne und führte als Verhandlungsführer die Gespräche. Die eigenständigen Gemeinden, mit denen er verhandelte, standen unter der Leitung der Bürgermeister Johann Allendorf (Wicker) und Norbert Hegmann (Weilbach).

„Die Selbständigkeit aufzugeben, hat schon ans Selbstverständnis der Kommunalpolitiker gerührt“, erklärt Mathäus Lauck. Die Voraussetzungen seien dennoch gut gewesen. Flörsheim und Wicker seien beispielsweise durch viele Verwandtschaftsbeziehungen verbunden gewesen. Darüber hinaus hätten sich die Ausdehnungswünsche des Weinortes mit den Flörsheimer Bestrebungen ergänzt. Während Wicker im Süden wachsen wollte, habe Flörsheim auf Neubauten im Nord-Osten gesetzt. Die Orte seien sich also räumlich immer näher gekommen. Gegen einen Zusammenschluss Weilbachs mit Hattersheim habe derweil die Bahnstrecke gesprochen, die als Barriere empfunden worden sei, so Mathäus Lauck. Geholfen habe auch der gute Kontakt zum damaligen Weilbacher Rathauschef und späteren Flörsheimer Ersten Stadtrat Norbert Hegmann. „Mit dem konnte man auf Zuruf reden“, berichtet Lauck, der das Zustandekommen des Zusammenschlusses auch heut noch als großen Erfolg wertet. Die damalige Entscheidung sei im Einklang mit dem Großteil der Bevölkerung erfolgt. Die Menschen hätten die Neuordnung als das für alle Vernünftigste akzeptiert. Und in Flörsheim habe es kein Triumphgefühl gegeben. „Es war eine sachliche Notwendigkeit“, betont Mathäus Lauck. 

Thema beim Empfang

Die vor 50 Jahren erfolgte Gebietsreform ist Thema des diesjährigen Bürgerempfangs zum Tag der Deutschen Einheit. Am Sonntag, 3. Oktober, sprechen Johannes Heger, Geschäftsführer des Hessischen Städte- und Gemeindebundes, und Bürgermeister Dr. Bernd Blisch in der Stadthalle zum Thema „Die Gebietsreform 1971/1972 – im lokalen, regionalen und überregionalen Kontext“. Der Empfang beginnt um 11 Uhr. sas

Quelle: Höchster Kreisblatt vom 29. September 2021