„Große Koalition ziemlich abwegig“

Von Alexandra Dehne

PARLAMENT CDU-Chef sieht Anzeichen für Rot-Grün / Erneute Abstimmung im Parlament über West V für den 30. Oktober erwartet

Auch nach der turbulenten Stadtverordnetensitzung am Donnerstag ist das Thema des Verkaufs eines Großteils des Geländes im ersten Abschnitt des Gewerbegebiets West V nicht vom Tisch. Da Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) von seinem in der Hessischen Gemeindeordnung verankerten Recht Gebrauch gemacht hat, gegen den ablehnenden Beschluss der Stadtverordneten Widerspruch einzulegen, weil er das Wohl der Stadt gefährdet sieht, muss in der nächsten Stadtverordnetensitzung erneut darüber abgestimmt werden, vermutlich am 30. Oktober.

Die CDU will bis dahin die gewünschte Bürgerversammlung, zu der Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Odermatt (CDU) einladen muss, durchführen. „Kein Bürger hat hundert Prozent Ahnung von dem Thema“, begründete Partei- und Fraktionschef Marcus Reif gegenüber der „Main-Spitze“. Eventuell könne man gerade Bedenken von Bewohnern der Keramag ausräumen und Anregungen für den zweiten Abschnitt von West V aufnehmen. „Wir wollen das Projekt mittragen, weil wir glauben, dass es positiv umgesetzt werden kann, aber es sind noch einige Punkte offen.“ Der Vorwurf, sie hätten den Wunsch nach Bürgerbeteiligung früher äußern können, wies Reif zurück. Antenbrink baue einen hohen Zeitdruck auf, der nicht notwendig sei, daher komme es zu „suboptimalen Situationen“. Immerhin seien sie alle ehrenamtlich tätig. Der Christdemokrat kritisiert grundsätzlich den Stil des Bürgermeisters, der den Spielraum für Kompromisse sehr einenge.

Dass die CDU, wie seitens der SPD behauptet, ihr positives Votum für West V von der Besetzung des Ersten Stadtratsposten, der Mitte 2013 wiederbesetzt werden muss, abhängig mache, sei nicht richtig. „Das war nicht Bestandteil der Gespräche, da gibt es keine Korrelation“, so Reif. Er selbst hält es für „ziemlich abwegig“, dass es eine Große Koalition geben wird. Zum einen hätten CDU und SPD in zwei Gesprächen sehr unterschiedliche Visionen für die Zukunft der Stadt geäußert – die CDU plane für zehn bis 15 Jahre, die SPD eher für 15 Monate. Zum anderen glaube er, dass die Gespräche zwischen Rot und Grün schon deutlich weiter seien, als man dies öffentlich bekenne. „Ich bin der Meinung, dass der Bürgermeister in der Koalition vertreten sein muss, um Themen frühzeitig abstimmen zu können“, hält Reif eine schwarz-grüne Koalition für völlig ausgeschlossen.

Inwieweit es tatsächlich eine Koalition zwischen SPD und Galf geben wird, dazu äußerten sich die beiden Parteien nicht. „Die Gewichte haben sich etwas verschoben“, sagte SPD-Ortsvereinsvorsitzender Gerd Mehler angesichts der Geschehnisse vom Donnerstag. Entscheidend sei, dass man „für gravierende Entscheidungen eine verlässliche Mehrheit“ bekomme, um die Stadt voranzubringen. Mit der Galf gebe es bezüglich des Gewerbegebietes Differenzen, aber auch bei der CDU sei man nicht bei allen Themen auf einer Linie. Vermutlich Ende Oktober werde es eine Entscheidung seiner Partei geben, denn eine Ausschreibung der Stelle des Ersten Stadtrates müsste im November auf den Weg gebracht werden.

Sollte tatsächlich die Galf den Posten bekommen, würde Bürgermeisterkandidat Sven Heß bereitstehen, sagte Galf-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr. Allerdings werde sich die Galf, so sehr ein Hauptamtlicher Anreiz sei, nicht für das Amt „verbiegen“, sondern bei ihrer mehrheitlichen Ablehnung zu West V bleiben. „Man muss das Gefühl haben, dass man zusammen kann“, sieht sie die wesentlichen Voraussetzungen. Außerdem erwarte der Wähler trotz Differenzen beispielsweise nach dem Bürgerentscheid zur Umgehungsstraße, dass man eine Politik mache, die Flörsheim voranbringe. Das Verhalten der CDU zu West V beurteilt Mohr eindeutig: „Man will die Sache am Köcheln halten, um Druck aufzubauen.“

HESSISCHE GEMEINDEORDNUNG

In Paragraf 63 der Hessischen Gemeindeordnung heißt es: „Verletzt ein Beschluss der Gemeindevertretung das Recht, so hat der Bürgermeister ihm zu widersprechen. Der Bürgermeister kann widersprechen, wenn der Beschluss das Wohl der Gemeinde gefährdet.“

Durch den Widerspruch muss in der nächsten Sitzung erneut über die Vorlage entschieden werden.

Quelle: Main-Spitze vom 18. September 2012